Ron Sexsmith Hamburg, Knust


Optisch dauerneunzehnjähriger Halbgott mit Beethoven Frisur schlägt Barpersonal in Bann!

Sarah Slean, die für Ron Sexsmith eröffnet, ist etwas gruselig. Offensiv seelen-exhibitionistisch klärt sie das Publikum über die suizidalen Tendenzen auf. die sie sich in einer viermonatigen Camping-Session in irgendeinem Wald ausgetrieben haben will. Die Songs, die sie von dort mitgebracht hat, klingen allzu plakativ nach Tori Arnos, Brecht und Weill, und man wird das Gefühl nicht los, dass die Waldfee vielleicht besser bei ihren Bäumen geblieben wäre. Das Publikum im gut gefüllten Knust ist trotzdem begeistert, zumal die Band, die die anstrengende Dame beim vorletzten Song begleitet, einen Vorgeschmack auf das gibt, was alle sehnlich erwarten: Ron Sexsmith! Mit Band! Zum ersten Mal hat der optisch ewig neunzehnjährige kanadische Songwriter-Halbgott Verstärkung nach Deutschland mitgebracht – und die steht ihm ausgesprochen gut. Hat er sich solo bislang schüchtern hinter der Gitarre versteckt, während die Fans verzückt seinen musikalischen Seelenstreichlern Lauschten, beeindruckt er nun durch sympathisch reduziert-lässigen Gestus und eine Menge Humor. Am Keyboard drohl er augenzwinkernd mit dem Elton-John-Songbook [„Momentan kenne ich von jedem Song nur den ersten Akkord, aber wartet, bis ich wiederkomme …“), stimmt „Ode an die Freude“ in der elektronischen Kinderchor-Version an [„Da steht ihr Deutschen drauf, oder?“} und entschuldigt sich: „I can’t play that Beethoven, but I have his hairdo.“ Derlei Launigkeiten schmälern keineswegs die Brillanz der Songs und Sexsmiths umwerfenden Vortrag. Ganz gleich, ob es eigene Klassiker sind wie „Secret Heart‘ oder „In A Flash“, das er diesmal neben Jeff Buckley auch Johnny Cash, Elliott Smith und Johnny Ramone widmet, oder ob er einen Song von Ray Charles interpretiert: Seine grandiose Stimme und sein leicht verzögerter Gesang schlagen sogar das Barpersonal in Bann. Nach einem wunderbaren Konzert und zwei Zugaben kommt er erneut auf die Bühne, um sich mit einer Geschichte von Paul McCartney und einem Wings-Cover zu verabschieden: „Listen To What The Man Said“. Das haben heute alle getan. Und werden Sexsmith noch eine ganze Weile dankbar sein.