Ronnie Lanes Traum: Mit einem Wandermusical durch Europa


Auf der Suche nach der verlorenen Zeit – das ist Ronnie Lane (29). Bis vor zwei Jahren war er Baßmann bei den Faces. Er stieg aus der Maschinerie des internationalen Rockbusiness aus, als die Faces auf der Höhe ihres Erfolges standen. „Weil ich endlich wieder Mensch sein wollte“, sagt Ronnie Lane zu ME. „Mein erstes Projekt, der , Wandernde Rockzirkus‘, ist vorläufig gescheitert. Jetzt habe ich „nur“ eine normale Rockband. Und als Überrest meiner Zirkusidee, eine Truppe altmodischer Revuegirls. Aber mein Traum ist noch nicht ausgeträumt: Eines schönen Tages werde ich mit meinem Wanderzirkus durch Europa ziehen und ein Musical aufführen.“

Zurück zu den alten Lebensgewohnheiten

Bis dahin wird der verhinderte Zirkusdirektor notgedrungen zu Lebensgewohnheiten zurückkehren, die er zähneknirschend und nur mit Hoffnung auf eine bessere Zukunft erträgt. „Ich ging damals, weil ich einfach am Ende war,“ sagt der Faces-Griinder. „Acht Jahre lang habe ich alles ausgekostet, was dir das Leben als Superstar bietet: Millionenverkäufe, Konzertreisen rund um die Welt, jeden Abend eine fremde Halle, jede Nacht ein fremdes Hotelbett. In den letzten Jahren bei den Faces war ich sehr einsam und unglücklich. Ich hatte große Sehnsucht nach meiner Frau und meiner Tochter Alana. Meine Heirat war ein Zufall des Schaugeschäftes, wie ich selbst letzten Endes ja auch.“ „Und da fiel mir ein, daß die Einzigen, die diese Probleme gelöst haben, die Zirkusleute sind. Da lebt und arbeitet die ganze Familie zusammen. Man ist nie ein Fremder in einer großen Stadt, denn man hat ja die guten Freunde dabei. Und die fremde Halle macht einen nicht mehr krank, weil man ja schließlich das eigene Zelt aufbaut und immer auf derselben Bühne steht.

Über Land von Kleinstadt zu Kleinstadt

„Ich war nicht der Erste, der diese Erleuchtung hatte. Die Who, die Rolling Stones und auch meine Faces, wir alle spielten oft mit diesem Gedanken. Aber schon von der Zuschauerzahl her können diese Bands keine Konzerte im Zelt aufführen. Ich dagegen wollte gar nicht mehr vor diesen furchterregend großen Zuschauermengen auftreten. Ich wollte über Land von Kleinstadt zu Kleinstadt ziehen und ein Programm für die ganze Familie machen. An meiner Meinung hat sich bis heute nichts geändert!“ Nach einem Jahr Anlaufzeit hatte Ronnie Lane seinen Zirkus tatsächlich auf die Beine gestellt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 120.000 DM in das Unternehmen gesteckt. Glücklicherweise warf Ronnies mobiles Tonstudio genügend ab. Ronnies Freunde, die Who, nahmen damit „Quadrophenia“ auf.

Der Zirkus startete im Sommer 74 von Wales aus. Hier rrat sich Ronnie niedergelassen, nachdem er die Faces verließ. Auf den Weiden seiner Farm grasen Schafe. Im umgebauten, romantischen Farmhaus lebt Ronnie mit Kate (26) und den Kindern Luke (IV2) und Alana (3). Telefon hat er sich bis heute noch nicht angeschafft.“

Im Wohnwagen einer Handleserin

Telefon gab es auch nicht in den Wohnwagen, mit denen „The Passing Show“ über Land zog. „Ein herrliches Gefühl, ich fühlte mich richtig frei“, erzählt Ronnie. „Mein Wohnwagen gehörte früher einer Handleserin. Er sah aus wie aus dem 19. Jahrhundert.“ In jeder Stadt blieb der Zirkus eine Woche. Im 2.500 Mann fassenden Zelt traten Jongleure, Feuerschlucker, Clowns und Revuegirls auf. Die Musik lieferte Slim Chance. Ronnie Lane selbst spielte Gitarre und sang. „Das kann ich sehr gut. Nur für eine Power-Band wie die Faces hatte ich nicht genug Kraft. Denn ich bin eigentlich ein romantischer Typ. Harte Sachen, wie ich sie für die Faces geschrieben habe, liegen mir nicht besonders.“ Weshalb scheiterte die Sache? „Die Leute standen drauf. Aber die Organisation war zu schwierig. Ich mußte alles alleine regeln. Und dafür fehlte mir die Kraft. All die Geschäftsleute, die normalerweise an einer Tournee mitarbeiten, hielten sich fein ‚raus. Sie dachten wohl, die Sache läuft doch nicht. Und so behielten sie dann wirklich recht.“ Ronnie Lane zog sich enttäuscht nach Wales zurück und dachte lange nach. Das Ergebnis: Vor vier Monaten trommelte er die Slim Chance wieder zusammen. „Ich bin zuversichtlich“‚, sagt Ronnie zu ME. „Unser erstes Album („Ronnie Lane“) ist doch sehr ordentlich, oder?“

Der nette Bursche aus der Arbeiterkneipe

Am 16. März gab die Band ihren Einstand im ausverkauften Londoner Victoria Palace. Die 3.000 Besucher waren begeistert. Ronnie präsentierte zu Dreiviertel eigene Kompositionen: Weichen, leicht folkloristischen Rock, immer angenehm, immer fröhlich. Der Rest bestand aus bekannten Schlagern, die im Sing-Along-Stil vorgetragen, vom Publikum unter Kichern und Grinsen mitgesungen wurden. Ronnie ist ganz der nette Bursche aus der Arbeiterkneipe, er schwenkt den Bierseidel; er läßt, leicht bebeschwipst, Witze los, die wirklich ankommen. Eine Schar Revuegirls wirbelte durchs Parkett.

Diese liebenswerte Ausstrahlung, die Ronnie auf der Bühne hat, ist keine Schau. Endlich braucht er nicht mehr der kaltlächelnde Superstar sein, endlich kann er so nett sein, wie er wirklich ist. „Und wenn ich erst mein Wandermusical zusammenhabe, werde ich noch viel netter sein!“ Aber zuerst geht Ronnie auf Amerikatournee, und davor hat er wirklich Angst. „In Europa ist es viel gemütlicher. Später werde ich nur noch hier auftreten, in einem Zelt, das 1200 Leute faßt.“