Rote Sonne, Roter Teppich


China investiert auf dem Weg zur Filmgroßmacht in nie gekanntem Ausmaß in Hollywood. Dort betreibt man im Gegenzug auch mal Selbstzensur, um auf dem florierenden chinesischen Filmmarkt Fuß zu fassen.

Bereits 2011 hatte die US-Filmproduktionsgesellschaft Legendary Pictures, Schöpfer von in China äußerst erfolgreichen Blockbustern wie „Jurassic World“ oder „Pacific Rim“, mit dem Joint Venture Legendary East auf den Heimvorteil in der Fremde spekuliert. Im Januar 2016 bekam die länderübergreifende Kooperation dann plötzlich eine neue Wendung, als die auf vielen Geschäftsfeldern tätige Dalian Wanda Group die US-Produktionsgesellschaft für 3,5 Milliarden Dollar gleich ganz aufkaufte. Zur Vertragsunterzeichnung erklärte Legendary-Chef Thomas Tull, man wolle so „eine völlig neue internationale Unterhaltungsfirma schaffen“. Wanda-Chef Wang Jianlin, früherer Kommandant der Volksbefreiungsarmee und mit einem Vermögen von 24,2 Milliarden US-Dollar einer der reichsten Chinesen, sprach dagegen militärisch akkurat von „Chinas bislang größter grenzüberschreitender Übernahme im Kulturbereich“. Niemand treibt den Aufstieg zur Filmgroßmacht stärker voran als der 61-jährige Unternehmer aus Dalian. 2012 hatte sich Wanda unter seiner Initiative bereits Nordamerikas größte Kinokette AMC einverleibt, außerdem investiert der Konzern derzeit in einen gigantischen Filmpark, der im Frühjahr 2017 in Qingdao seine Tore öffnen soll.

„The Great Wall“ als Action-Spektakel

„东方影都“ steht dort bereits jetzt in großen Lettern über den Hängen zum gelben Meer geschrieben, gut sichtbar über einer Küstenlinie, die der kalifornischen gar nicht unähnlich sieht: „Kino des Ostens“. Jährlich sollen in der 374 Hektar großen Traumfabrik 100 chinesische und 30 „ausländische“ Filme entstehen und riesige Produktionsanlagen mit Hotels, Einkaufspassagen und einem Yachtclub selbst die verwöhntesten Superstars zum Verweilen einladen. Nicole Kidman, John Travolta und Leonardo DiCaprio erschienen im September 2013 bereits zur feierlichen Grundsteinlegung.

Zur Grundsteinlegung der „Qingdao Oriental Movie Metropolis“, einem gigantischen Filmstudiokomplex, der Hollywood alt aussehen lassen will, erschienen unter anderem John Travolta, Nicole Kidman und Leonardo DiCaprio.
Zur Grundsteinlegung der „Qingdao Oriental Movie Metropolis“, einem gigantischen Filmstudiokomplex, der Hollywood alt aussehen lassen will, erschienen unter anderem John Travolta, Nicole Kidman und Leonardo DiCaprio.

Neben der Nachbildung einer New Yorker Straße findet man innerhalb der „Qingdao Oriental Movie Metropolis“ auch die lebensgroße Attrappe eines Abschnitts der chinesischen Mauer, Kulisse für das bislang größte Prestigeprojekt des chinesische Kinos, an dem hier gerade fieberhaft gearbeitet wird: „The Great Wall“ soll mit einem Budget von über 150 Millionen Dollar der teuerste Film werden, der je auf chinesischem Boden gedreht wurde. Ein effektreiches, in der Song-Dynastie angesiedeltes Actionspektakel über eine Gruppe chinesischer Krieger, die sich mit westlichen Händlern zusammentut, um die große Mauer vor einem Monster zu verteidigen. Regie führt abermals der einst wegen seiner sozialkritischen Arthouse-Filme mit Berufsverbot belegte Zhang Yimou („Leben!“, „Judou“). Seit der Regisseur 2008 Steven Spielberg als Choreograph für die megalomane Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele von Beijing ablöste, und dabei tausende Darsteller wie Farbtupfer in einem gigantischen Gemälde zusammenrührte, traut man ihm offenbar alles zu, was episch, prestigeträchtig und vor allem chinesisch ist. An der Seite asiatischer Megastars wie Andy Lau, Emma Wu oder dem angesagten Teenie-Popsänger Luhan sollen vier amerikanische Schauspieler „The Great Wall“ für ein westliches Publikum attraktiver machen: Matt Damon, Willem Dafoe, Pedro Pascal („Game Of Thrones“) und Mackenzie Foy („Interstellar“). „Das ist der größte Film, an dem ich je beteiligt war“, beglückwünschte ein Pferdeschwanz tragender Matt Damon auf einer Pressekonferenz in Beijing die chinesischen Filmambitionen höflich.

 

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Ob „The Great Wall“, dieser chinesisch-amerikanische Testballon, nach seinem Filmstart im Januar 2017 auch außerhalb Chinas einen Erfolg landen wird, oder dort wie Zhangs „The Flowers Of War“ oder Lees „Dragon Blade“ eher untergeht, wird große Symbolwirkung haben. Ein internationaler Kassenschlager Made In China? Vielleicht ist die Welt doch noch nicht bereit dafür: Während junge Chinesen mit amerikanischem Kino aufwachsen und viele chinesische Schauspieler sich oft schon vor ihrer Karriere englische Zweitnamen zulegen, ist China für den durchschnittlichen westlichen Kinogänger nach wie vor kaum mehr als eine exotische Kulisse. Auch wüsste wohl kaum jemand, wo bei Fan Bingbing – eine der fünf bestbezahltesten Schauspielerinnen der Welt – der Vor- und wo der Nachname ist. Dabei hat sich das chinesische Popcornkino zumindest äußerlich dem amerikanischen bereits so sehr angenähert, wie es eben möglich ist, ohne die eigene „5.000-jährige Zivilisationsgeschichte“ zu verleugnen, wie Xi Jinping es ausdrückte. Filme wie „Red Cliff“ oder „Mojin“ können es in Sachen Action, Schlachtenwahnsinn und Digitaleffekt-Pomp mit „Herr der Ringe“ aufnehmen, der Klamauk von Filmen wie „Breakup Buddies“ oder „Goodbye Mr. Loser“ steht dem der „Hangover“-Reihe in nichts nach. Es mag nur noch am direkteren Einfluss des Staates liegen, dass chinesische Blockbuster pathetischer als ihre amerikanischen Pendants daherkommen, auch wird mit Blut und vor allem Sex bisher noch sparsamer umgegangen. Mit den steifen Propaganda-Filmen unter Mao hat das Kino für die Massen aber längst nichts mehr zu tun, selbst in erklärt patriotischen Filmen wie „The Founding Of A Party“ wird der sentimentale Nationalismus suggestiv in Action- und Romantikszenen eingeflochten. Aber auch das ist man ja schließlich bereits aus amerikanischen Produktionen gewohnt.

Änderungen in „World War Z“ und „Pixels“

Wang Jianling spricht stolz von Chinas größter grenzüberschreitender Übernahme im Kulturbereich
Wang Jianlin spricht stolz von Chinas größter grenzüberschreitender Übernahme im Kulturbereich

A24: Ein kleines New Yorker Studio macht Indie-Filme endlich wieder spannend
Während es China und seiner Filmwelt auch um das Wiedererstarken der Nation, um Respekt und internationale Imagepflege geht, hat man in Hollywood vor allem den Profit im Blick. Der in China immense Kassenerfolg von Filmen wie „Avatar“, „Transformers: Ära des Untergangs“ und „Furious 7“ hat mittlerweile auch jene amerikanischen Filmstudios sensibilisiert, die bisher noch keine Firmenanteile an einen chinesischen Investor verkauft haben. Nicht nur, dass man sich dort einen stereotypen Superschurken wie Dr. Fu Manchu oder einen Dalai-Lama-Film wie „Sieben Jahre in Tibet“ nicht mehr erlauben würde, entschieden sich viele US-Produzenten in den letzten Jahren neben den eingangs erwähnten Schmeicheleien für das chinesische Weltraumprogramm auch immer wieder zur Selbstzensur, um einer Disqualifikation durch die chinesischen Kulturbehörden zuvorzukommen. In Brad Pitts „World War Z“ durfte die Zombie-Apokalypse auf Wunsch von Paramount doch nicht in China ihren Ursprung nehmen. In Adam Sandlers Action-Komödie „Pixels“ konnte auf Drängen von Sony verhindert werden, dass die chinesische Mauer beim Angriff der Aliens zerstört wird, und ausgerechnet im Remake von „Red Dawn“, der antikommunistischen Angst-Phantasie aus der Reagan-Ära, ersetzte MGM die chinesischen Invasoren in aufwendiger Digitalnachbearbeitung durch Nordkoreaner (was nichts daran änderte, dass der Film, wie auch „World War Z“, nicht in China erscheinen durfte). US-Comedian Bill Maher witzelte im Zuge der jüngsten Oscar-Kontroverse, dass es sicher auch an China liege, dass so wenige farbige Schauspieler in Hollywood- Filmen zu sehen sind: „Die Produzenten sagen: Wir sind keine Rassisten, aber wir müssen so tun, als wären wir welche, weil wir Kapitalisten sind. Wir wollen unsere Filme nach China verkaufen und die stehen dort eben nicht so auf Kevin Hart!“

Neben solch sarkastischen Stimmen oder reflexhaften Vorwürfen, dass die Kapitalisten von Hollywood aus Profitstreben auch Menschenrechtsverletzungen ausblenden würden, weist die „U.S.-China Economic And Security Review Commission“ in einem Bericht vom Oktober 2015 ganz konkret darauf hin, dass Chinas dünnhäutige Filmzensur die WTO-Regularien eines freien Marktes unterlaufe. Sie zwinge amerikanische Unternehmen, sich Regeln anzupassen, die „Kunst als eine Methode der sozialen Kontrolle“ betrachten, andernfalls drohten Verluste in Milliardenhöhe. Momentan sieht es jedoch nicht danach aus, als wolle sich irgendwer aus dem profitablen Abhängigkeitsverhältnis befreien. Wie der Römer Lucius schlagen die Hollywood-Produzenten auf der reich gedeckten Festtafel den Takt mit, während Jackie Chan mit quäkender Stimme sein Lied vorträgt: „Es bedarf keines Schwertes, um aus Gegnern Freunde zu machen. Gemeinsam schreiten wir voran … Hand in Hand!“

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