School of Unrock


Keinen Sinn, es zu verhehlen: Der Autor, der mag Ukulelen.

Na, sagen Sie selbst: Wie würden Sie reagieren, würden Sie in diesem Moment erfahren, dass eine einstige Klassenkameradin von Ihnen heute Mitglied in einem Ukulelen-Duo ist? Mein alter Schulfreund Pete mailt mir einen YouTube-Link, da, schau dir das an, und ich klick drauf, und es geht ein Film los, und es kommt ein Ukulelen-Duo, turns out: eine einstige Klassenkameradin von uns ist jetzt in diesem Moment Mitglied in einem Ukulelen-Duo. Ich meine, als Mitglied in einem Ukulelen-Duo bist du doch eine halbe Band, und jetzt muss man dazusagen: Unsere einstige Klassenkameradin spielt in dem Duo nicht nur Ukulele, sie singt auch noch, sie ist sozusagen Frontfrau, und das ist nun wirklich bemerkenswert, betrachtet man ihre Abstammung und Herkunft.

Denn: Kein Mensch hat gesungen in unserer Klasse. Wir waren eine vom Musiker- und Musikanten-Gen weitgehend befreiter Jahrgang, es passierte kein Popstartum bei uns, auch kein noch so regional oder auch nur auf die Mittelstufe beschränktes, da war keine Schülerband, ja: nicht mal eine Schulband! An der ganzen Schule schien niemand zu punken, zu poppen, zu bluesen oder gar zu rappen. Dazu waren alle entweder zu cool oder zu uncool, oder beides. Falsch. Einen einzigen hatten wir in unseren Reihen, meinen guten Freund Stefan, der eines Tages mit ein paar Bekannten – und wahrscheinlich: Musikerspezis, Neid -, die nichts mit unserer unrockbaren Schule zu tun hatten, eine Coverband gründete, die sich dann über die Jahre bei uns in der Gegend ein dermaßen überlebensgroßes Standing erspielte, dass man sagen kann: Der Erdei Steve ist unser Vermächtnis an den Stadionrock.

Mein Freund Pete (Piano) und ich (Gitarre) hingegen schlugen dann die für verhinderte Rockstars natürliche berufliche Laufbahn ein und wurden Redakteure beim Musikexpress. Und aus unserer Sicht war schlicht nicht mehr damit zu rechnen, dass irgendjemand aus unserer alten Klasse irgendwann noch mal irgendwie irgendwo in einem Popkontext Mitglied von irgendwas werden würde, was freilich der Mitgliedschaft in einem Ukulelen-Duo eine funkelnde Aura von außerweltlicher Coolheit verleiht. Von daher: Go, Ukelites, go! Es ist natürlich beileibe nicht immer segensreich, wenn Musik gemacht wird. Anschauliches, jedem geläufiges Beispiel: Unheilig. Jetzt gibt es für Leute, die zum Beispiel wissen wollen, was in Bernd Heinrich Graf vorgegangen sein mag, als er sich den Bart ausdachte, den er heute im Gesichte trägt, ein neues Buch des handlichen Titels „Unheilig – Als Musik meine Sprache wurde. Die offizielle Autobiografie“. Man fragt sich zweierlei: Wie viele inoffizielle Autobiografien werden wohl immer wieder auf einen sensationsgeilen Markt geworfen, gegen den Willen der darin Porträtierten? Und: „Als Musik meine Sprache wurde“ – ja, was war da? Und was war davor seine Sprache, und was war da? Das ist wohl wie mit diesem Bierwerbespot: „Wenn aus Bier Bitburger wird“. Ja, was ist dann? Und kann man das Zeug dann noch trinken?