Schwarze Rambos


Schwarz, stark und supertough ist der dreitägige Rap-Burger mit Public Enemy, Run D.M.c. und Dereif B., dessen goldkettenbehängter Polit-Hip-Hop jetzt auf deutsche Bühnen kommt. Jörg Feyer war in Texas für ME/Sounds der Vorkoster.

Der Hausmeister hatte wohl vergessen umzurüsten: „Welcome Rodeo Fans“ grüßte jedenfalls das riesige Transparent genau gegenüber der Bühne im Texas Exposition & Heritage Center. 20 Autominuten vom Zentrum der texanischen Bundeshauptstadt Austin entfernt. Doch dort, wo sonst mutige Cowboys ihre Lasso-Künste demonstrieren oder edles Rindvieh den Besitzer wechselt, bot sich an diesem schwülen Abend eine gänzlich andere, angesichts unvermindert präsenter Kuhstalldüfte fast schon bizarre Szenerie dar …

Auf der Bühne: Ein Hip-Hop-Paket, das sich ob seiner Vielseitigkeit wahrlich sehen und hören lassen kann – J.J. Fad, EPMD, Public Enemy. Jazzy Jeff & Fresh Prince und Run D.M.C.

An den Ein- und Aufgängen vor der Halle: Kleine Informationsstände, an denen sich die Kids über Jugendarbeitsprogramme kundig machen oder — so schon etwas mehr gereift — für die Präsidentschaftswahl im November registrieren lassen können. Anscheinend hat es sich mittlerweile bis nach Washington rumgesprochen, daß die einst verpönten Rapperein probates Medium abgeben können, um die oft so mühsame Kontaktaufnahme mit den Kids zu erleichtern.

„Wir arbeiten“, erklärt D.M.C. alias Darryl McDaniels am Nachmittag vor der Show, „/h/7 der. National AI Ha nee Of Business‘ (NAB) zusammen, die sich um die Ausbildung von Jugendlichen kümmern. Bisher gab es schon diese.Say No! To Drugs-Kampagne, aber jetzt geben wir den Kids auch etwas, wozu sie Ja‘ sagen können. Das Programm der NAB heißt .Work works‘. Das sind keine Aushiffsjobs, sondern richtige Ausbildungslehrgänge, gut bezahlte, kooperative Jobs. Wenn die Kids nur rumhängen — das ist es ja. was sie veranlaßt, in Drogen einzusteigen oder kriminell zu werden. Wir versuchen immer die .Message‘ irgendwie ein/ließen zu lassen, sagen den Kids: .Sei cool, geh zur Schule, gih Dich nicht mit Gangstern ab und lass die Fineer von Drosen!“

Vor soviel blitzsauberem Engagement konnte sogar der Bürgermeister von Compton/Kalifornien den Hut ziehen und erklärte den 14. Juni kurzerhand zum „Run D.M.C-Day“ in seiner Stadt. “ Wir machen das nicht wegen der Publicity“, kontert McDaniels etwaige Vorwürfe, „sondern weil wir den Leuten helfen wollen. Wir kommen von der Straße und wissen, was da los ist, was die Stunde geschlagen hat. Aber naturlich hat es einen positiven Effekt, verschafft uns einen guten Namen und hilft das Rap-lmage ein bißchen aufzupolieren.“ Was nach all dem Gerede über Rap & Gewalt wohl auch bitter vonnöten ist. Ausgerechnet eine Run D.M.C.-Show in Long Beach/Kahfornien. bei der es zu Publikumsausschreitungen gekommen war, hat 1986 den Startschuß abgefeuert. Hysterische Hausfrauenverbünde, die mal wieder den Untergang des Abendlandes witterten, bliesen zur Hatz auf alles, was schwarz war, überdimens ionale Goldketten trug und Ji^^* legere Sportswear^^A^^B bevorzugte; eine gierige Boulevardpresse, die — durchaus rassistisch motiviert —jeden noch so unbedeutenden Zwischenfall genüßlich hochkochte, machte wie üblich den treuen Verbündeten. Das Negativ-Image schlug voll auf die Rapper durch, die sich plötzlich selbst mit übereifrigen Sicherheitskräften konfrontiert sahen. So mußten sich die Veteranen Whodini in den Südstaaten auf ihren eigenen Shows backstage mit Polizisten herumschlagen, die schon die Handschellen zückten, wenn die Akteure ihren Tour-Pass einmal im Hotel vergessen hatten…

Mit dem Film zum Album, der in den USA in aiesen lagen amauii. wonen Kun D.M.C. die nächste Popularitätsstufe zünden. TOUGHER THAN LEA-THER. in dem sich das Trio selbst spielt, ist kein Musik-Film (nur drei Songs des Albums werden gefeatured) und kostete schlappe 1 Million Dollar. „Dieser Film ist besser «M als .Krush Groove'“. ^^Hb zieht Run alias Joseph Simmons das Run D.M.C.-Leinwanddebüt zum Vergleich heran, “ weil wir diesmal eine viel größere kreative Kontrolle hatten. Wir haben alles selbst finanziert und konnten bestimmen, was in dem Film passiert und was wir selbst machen. “ Wenn Run D.M.C. die pragmatischen Reformer auf Jesse Jackson-Kurs sind, stehen Public Enemy als radikale, ideologisch geschulte Speerspitze geradewegs am anderen Ende der aktuellen Hip-Hop-Skala. Das richtige Bewußtsein ist für Chuck D., seinen Adjutanten Flavor-Flav. DJ Terminator X und die von Professor Griff angeführte „Security Of The First World^‘ (S1W) mindestens genauso wichtig wie die richtigen Beats; keine andere Hip-Hop-Band bringt derzeit Gefühle und Geräusche derart explosiv unter einen Hut bzw. auf eine Platte.

Geben Run D.M.C. mit ihrem klaren Bekenntnis zu „Fun & Engagement“ kaum noch Rätsel auf. bieten Public Enemy mehr Angriffsflächen und Widersprüche, als ihnen mittlerweile vielleicht selbst lieb ist. Verwirrung stiftet(e) die militante Choreographie der „S1W“, leicht mißverständliche Songtitel wie „Miuzi Weighs A Ton“ oder „Timebomb“ — und schon witterten einäugige Medienmenschen einen Haufen schwarzer Nazis, die den weißen Mann am liebsten ganz von dieser Erde getilgt sähen.

Doch wenn Public Enemy tatsächlich bis zu einem gewissen Grad „anti-white“ sind, dann sind sie gleichzeitig auch „anti-black“. Ihre Wut richtet sich gegen das weiße Establishment, das die Schwarzen von politischer und wirtschaftlicher Macht fernhält — aber auch gegen ihre eigenen Brüder, die sich inzwischen mittelständisch bequem eingerichtet und darüber Ursprünge und Geschichte vergessen haben. „Es geht um die Situation der Schwarzen in den USA. Wir waren immer die Letzten. die irgendwas gekriegt haben. Aber wir waren es. die die Kraft hatten, Amerika aufzubauen. Gute Arbeit verdient gerechten Lohn — und dafür kämpfen wir jetzt. Wir wollen uns nur das holen, was uns auch gehört. Wir sind immer noch am Abgrund. Wir müssen immer noch die Weißen fragen, wenn wir etwas machen wollen“, erklärt ein erstaunlich redefreudiger Flavor-Flav nach der Show die Public Enemy-Philosophie.

Ursprünglich wollten Public Enemy den Besuchern der US-Konzerte ein ganz besonderes Bühnen-„Bonbon“ servieren: „Am Anfang“, erläutert Chuck D., „sitzt dieser, clansman‘ bei uns auf der Bühne. Wir nennen ihn .America‘, er hat einen rot-weiß-blauen Hut auf. Und am Ende der Show sagen wir: .America ist schuldig!‘ Und dann hängen wir ihn. „

Mit Rücksicht auf das möglicherweise doch eher etwas unbedarfte Run D.M.C.-Publikum wurde dieser militante Show-Down dann kurzfristig wieder aus dem Programm gekippt. In den USA zumindest. Ob man für die Europa-Tournee eher die unpolitisch-unterhaltsame Note ä la Run D.M.C. anschlagen wird oder die härtere Gangart von Public Enemy — darüber war man sich im US-Rapper-Lager noch nicht im klaren. Klar ist jedenfalls, daß in Deutschland statt der Fun-Rapper um DJ Jazzy Jeff & Fresh Prince die schwarze englische Rap-Hoffnung Derek B. das Tour-Paket verstärken wird. Und der, so hört man, liebt eher die heftige Konfrontation als die Anpassung.