Silverchair


Was? Keine Karten mehr?“ Reichlich verzweifelt nimmt das Mädchen mit der Zahnspange seinen ganzen Mut zusammen und hämmert mit geballten Fäusten gegen die Eingangstür. Der Versuch des Türstehers, sie allein mit abweisendem Blick abzuschrecken, ist zwecklos. Auch das Plakat „Restlos ausverkauft!“ kann da nichts ausrichten. Als selbst der Bestechungsversuch: „Ich zahl auch den doppelten Eintrittspreis!“ am eisernen Torwächter scheitert, mault sie trotzig: „Dann fahr‘ ich eben morgen zum Konzert nach Frankfurt, und Mathe schreib‘ ich nach.“

Es muß schon ein besonderes Ereignis anstehen, wenn sich Dutzende kreischender Teenies im Kampf um die letzten Tickets gegenseitig überbieten. Nein, nicht die Kelly Family hatte zum Gastspiel geladen, sondern drei pubertäre Australier im Skateboard-Outfit: Silverchair. Was aber ist dran an den drei Kids, die angereist mit ihren Mamis als Manager und Anstandswauwaus – zum Sonntags-Grunge bitten? Sind es die Songs des mit (australischem) Edelmetall hochdekorierten Debütalbums ‚Frogstomp‘? Oder ist es die erstaunliche Inbrunst, mit der Gitarrist und Sänger Daniel Johns — gerade mal 16 Jahre jung — anheimelnde Zeilen wie „Hate is what I feel for you and I want you to know that I want you dead“ ins Mikro brüllt? Muß schon eine selten harte Kindheit gehabt haben, der Ärmste. Die Kids im Publikum aber sind begeistert und allerbester Pogolaune. Von frenetischem Jubel begleitet bahnen sich Silverchair denn auch den Weg durch das Repertoire ihrer aktuellen Scheibe. Songs wie ‚Tomorrow‘ oder ‚Pure Massacre‘, auch hierzulande bestens bekannt, verfehlen ihre Wirkung nicht. Läßt man allerdings den Jubel Jubel sein und hört genauer hin, wird sehr schnell klar, daß Silverchair wohl kaum als eigenständiger Act zu sehen sind. Zu deutlich sind die Anleihen bei Größen wie Alice In Chains und vor allem Pearl Jam. So singt Frontmann Daniel Johns wie eine minderjährige Ausgabe von Pearl Jam-Sänger Eddie Vedder. Trotzdem: Die drei Australier halten mit Spielfreude und der nötigen Ernsthaftigkeit das Genre, das früher unter dem Begriff Grunge bekannt war, vielleicht noch ein bißchen länger am Leben. Aber gewiß vermögen auch Silverchair es nicht, den Grunge in eine zukunftsweisende Richtung zu lenken.

Wesentlich eigenständiger als die drei australischen Buben wirkten da schon die als Support angetretenen Punkrocker von Everclear. Zwar waren wohl die wenigsten Zuschauer wegen der Vorgruppe gekommen, aber bald schon könnte sich dies ändern. Respekt, meine Herren.