Simply Red


Daß die Briten eine Band wie Simly Red in die riesige Wembley Arena stecken, ist nur ein weiterer Fall von Fehlgriffen, mit denen mich meine Landsleute immer wieder irritieren, ebenso wie die Tatsache, daß sie ihre Sandwiches mit Pommes füllen und Vollidioten ins Parlament wählen.

Simply Red gehören nicht ins Wembley. Sie besitzen auch nicht im Ansatz die Bühnenpräsenz, um eine Halle dieser Größe auszufüllen. So sehr Mick Hucknall sich auch bemüht, Marvin Gaye (im dezenten Anzug, während der ersten, „schmusigen“ Hälfte des Konzerts) oder James Brown (im hautengen schwarzen T-Shirt und Goldlame-Weste in der zweiten, der Tanzhälfte) zu imitieren: Solange die Krankenkassen nicht für Soul-Transplantationen aufkommen, bleibt er nur ein mehr oder minder guter Sänger mit einer glatten, gesichtslosen Nachtclub-Kapelle.

Die Bühne könnte aus einer xbeliebigen Popsendung im Fernsehen stammen – ein Gewirr aus Drähten, die siebenköpfige Band brav nebeneinander aufgereiht, Bläser die aussehen, als hätte man sie in einer Nobeldisco rekrutiert, dazu eine schwarze Background-Sängerin, die mit ihrem Esprit und Enthusiasmus fast schon deplaziert wirkt.

„Wir sparen alle Tanznummern für die zweite Hälfte auf, kündigt Hucknall an, während sie einige Kostproben aus ihrem Repertoire, Kategorie Love/Sex, zum besten geben – am überzeugendsten das träge, honigsüße „I’ve Had Enough“; negativer Höhepunkt die matte Coverversion des Soul-Klassikers „If You Don’t Know Me By Now“, bei der Hucknall zur Abwechslung mal auf George Michael macht und unter mäßigem Jubel des weiblichen Publikums seine Jacke über den Mikrofonständer hängt.

Nach einer zehnminütigen Pause kommt die Tanzhälfte, und die ist weitaus besser: mit professioneller Intensität und ein bißchen Anmache, manchmal sogar einer Prise Sex, werden Stücke wie „To Be With You“ oder ein Stevie-Wonder-Cover auf die Bühnenbretter gebracht. Aber der Kühlhaus-Charme dieser Halle, der schon in der ersten Hälfte echte Intimität unmöglich machte, hält jetzt die Leute vom Tanzen ab, obwohl die Hälfte immerhin aufsteht und schüchtern mit dem Hintern wackelt.

SimpJy Reds Erfolg liefert jedenfalls den Beweis für die zahlenmäßige Stärke und Kaufkraft der Vorstadt-Schickis. 12.000 Exemplare dieser Spezies, die das Wembley mit ihren gestärkten Hemden und Parfümschwaden füllten, hatten ihren Spaß. Ich nicht.