Southside Festival, Neuhausen ob Eck


Eine leicht festivalmuffelige Betrachtung des Wochenendes auf dem Flugplatz.

Es ist ein seltsames Ankommen auf diesem Festival. Hier ist vor zwei Tagen ein Mensch gestorben, ein junger Sanitäter kam ums Leben, als während des Aufbaus eine Sturmböe eine Zeltkonstruktion umriss. Wie vollkommen gaga banal ist da die Feststellung, dass Marilyn Manson ein schlechtes Konzert gibt? Spät sind wir dran, es spielt nur noch Manson heute, also waten wir rüber durch den Schlamm, um uns dann ans erste Southside Festival, 1999, damals noch in München, zu erinnern: Das war noch Schau, als Manson da verstimmt tobend wie ein kleines Horrorkind auf der Bühne Sachen kaputt machte und dann skandalträchtig das Konzert abbrach. Und noch nicht von einer bocklosen Band bocklos schlockrocken ließ und dazu müde rumkrähte und auf hässlicher Mann machte. Es soll ihm nicht gut gehen, heißt es, seit seine Freundin Dita von Teese ihn verlassen hat. Ach, Marilyn.

Headliner am nächsten Abend: Pearl Jam. Ach, Pearl Jam. Die vielleicht popabgewandteste Großband der letzten 20 Jahre in ihrer endgültigen Versumpfung. Licht-, humor-, espritloses Gedonner und Gejamme mit ca. zweieinhalb memorablen Songs in anderthalb Stunden. Es ist 2007, Leute. Wer hier in irgendeiner Weise in den Arsch getreten werden oder gar seinen Arsch bewegen will, der muss schleunigst rüber zu den Queens Of The Stone Age. Da gibt’s nämlich die noch lebende, nicht in Formaldehyd eingelegte Version von Rock, mit Pop-Nerv und dieser anregenden QOTSA-Mischung aus Brutalität und Sophistication. Da ist überall Zug drauf, Hüne Josh Homme singt hingebungsvoll im Falsett, und beim verstiegenen, doch voll auf die Zwölf gehenden Zeug vom neuen Album Era Vulgaris tummeln sich verfremdete Pedalsteel, Keyboards und schlank elektronifizierte Gitarren im mächtigen Sound. Was für eine – hier muss das Wort mal sein – geile Band.

Sonntagnachmittag ist Indie-Helden-Zeit. Arcade Fire um den nach seiner HNO-Operation wiedererstarkten Win Butler schmeißen sich mit prachtvoller Verve in ihren Set, als dürften sie ab morgen keine Konzerte mehr spielen. Toll. Aber wie auch bei Mogwai, Modest Mouse, Bright Eyes (Conor Oberst in Weiß mit Big Band, der etwas mehr Tightness – Proben? – nicht schaden würde) kommt der Rezensent nicht umhin, sich vorzustellen, wie einem diese Band im Club, unter ihren Bedingungen, den Kopf zu waschen in der Lage wäre. Sie sind schon recht verdächtig selten, die unvergesslichen Konzerte bei Festivals.

Einer der eindrucksvollsten Momente des Wochenendes kommt am Nachmittag, als zu einer Schweigeminute für den verunglückten Johanniter aufgerufen wird – und sich tatsächlich kurz absolute, samtene Stille über das Gelände senkt. Dann kommen die mächtigen Interpol, schwarz, wortlos, ernst, und spielen souverän ihre gravitätischen, fast strengen, dunkelgrauen Lieder. Man möchte nicht sagen, es passt, aber… es passt irgendwie.

Es geht auf den Abend zu. Auf der Hauptbühne die Fantastischen Vier mit jammender Muckerband, seltsam grönemeyeresk deplatziert hier (und dann kommt man auch noch dazu, als Thomas D. gerade sein Hemd auszieht und den „Krieger“ macht. Oh please…). Lieber nach drüben? Da spielen Snow Patrol ihren wohlfeilen, oberflächenversiegelten Nummer-sicher-Pomp-Pop, gegen den Coldplay wie die reinsten Roots-Rocker wirken.

Die Ehre der „Großbands“ zu retten, obliegt schließlich den Beastie Boys, die als Headliner zeigen, dass man eben auch zur langgedienten Institution heranwachsen kann, ohne in seinem eigenen Quark zu erlahmen. Die bei Weitem ältesten Knacker hier reißen sämtliche Würste vom Teller mit einer furios aufgetischten Best-Of-Show, die aus allen „Phasen“ der Band schöpft, die bei den Beasties ja zeitlich parallel laufen. Gerade noch hüpften sie rappend am Bühnenrand rum, mit ihrem unglaublichen DJ Mixmaster Mike im Rücken, schon haben sie sich Instrumente umgeschnallt, neben Mike Dam Schlagzeug orgelt der treue Money Mark, und grooven ein funky Instrumental her, im nächsten Moment schreit sich MCA zu einer Punknummer den Hals heiser. Danke, Beasties. So muss man nicht gar so festivalmuffelig nach Hause fahren. www.southside.de