Steife Brise aus Amerikas Norden: Pearl Jam und Soundgarden


MÜNCHEN. Der Vergleich lag nahe, der Zulauf konnte auch nicht überraschen: Wenn sich mit Pearl Jam und Soundgarden die zwei hoffnungsvollsten Nutznießer des Nirvana-Booms innerhalb von zehn Tagen derselben Stadt präsentieren, ist sogar jene im Süden auf den ansonsten eher müden Beinen: Das Münchner Nachtwerk platzt an beiden Abenden aus den Nähten. Atemluft ist knapp, die Erwartungshaltung dafür reichlich.

Pearl Jam bedient obige nach allen Regeln der Rock ’n‘ Roll-Kunst. Mit gerade einem Album auf erste Tour zu gehen ist nicht die leichteste Übung für eine junge Band. Doch Pearl Jam umspielt die Klippe, wenn nicht mit Souveränität, dann doch mit unwiderstehlichem Enthusiasmus. Die Band hat Spaß, zeigt sich als pure Energiequelle in allen Höhen und Tiefen ihrer emotionsgeladenen Version des Seattle-Sounds.

Posen sind nun mal nur peinlich, wenn geplant: ein Sänger wie Eddie Vedder macht jeden Verdacht auf kontrolliertes Gehabe mit einer Geste zunichte. „In Berlin hm er sich sogar ins Publikum geworfen“, erzählt der Nachwuchs-Metaller im Publikum mit leuchtenden Augen. In München ist die Wurfrichtung genau entgegengesetzt: Stage-Diving ohne Ende, splitternde Gitarren, tobende Herzen und Neil Youngs“.Rockin‘ In The Free World“ als Zugabe — smellslikestardom …

Zehn Tage später erklärt sich die verkehrte Welt des Erfolgs. Warum im Seattle-Triumvirat mit Soundgarden ausgerechnet die älteste und konstanteste Band immer noch ¿

die schlechtesten Zahlen verbucht, macht das Quartett live am deutlichsten klar. Soundgarden ist nicht einfach nur gut, zerschmettert jede Partylaune und druckt alle Stagediver zu Boden. Chris Cornell und Co. liefern Lärmattacken im Breitwandformat, bisweilen in einer brachialen Gemächlichkeit und zentnerschweren Härte, die alle wippenden Zehen lähmt.

Daß dabei leider jede auf Vinyl so detaillierte Nuance der ausgeklügelten Gewalt im völlig übersteuerten Brei des Mixers hängenbleibt und noch nicht mal Chris Cornells messerscharfes Ausnahmeorgan deutlich wird, ist kein Fehler der Band. Die bemüht sich nach Kräften und versteigt sich dabei leider bisweilen in zähfließende Gitarrenexkursionen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Mühselige Klangexperimente gehen dabei auf Kosten der Intensität verloren. Und die magisch-hypnotische Spannung, die vor allem Soundgardens jüngstes Werk „Badmotorfinger“ zur Attraktion macht, bleibt nicht zuletzt deswegen an diesem Abend aus. Das programmierte Ohrensausen jedoch nicht. Ihr Plansoll haben sie auf jeden Fall erfüllt.

Ein Doppellob ist aber trotzdem fällig, denn schließlich sprechen wir hier von Tatsachen und nicht von gehypten Trends.