Sugar – Copper Blue


Dieser Zucker ist verdammt scharf: Bob Mould kocht spröde Ohrwürmer weich Ganz alleine fühlt sich auch dieser Herr nicht wohl: Nach zwei Soloplatten hat sich der einstige Frontmann der legendären Gitarren-Trash-Popband Hüsker Du mit Schlagzeuger Malcolm Travis und Bassist David Barbe doch noch einmal den engen Stiefel einer Gruppe angezogen. Und wie bei Hüsker Du ist es auch diesmal wieder ein Trio. Mit „Copper Blue“ hat der unangepaßte Gitarrist/Sänger seine typische Kompositionsweise noch einen Schritt weitergetrieben: Wo Mould früher konsequent zwischen den Extremen Ordnung und Chaos hin- und hereilte, verweilt er nun auch einmal in der Mitte. Das Resultat: Zwischen dem Overkill schrubbender Heavy-Gitarren und eigentümlicheingängiger Melodien sind obskure Ohrwürmer entstanden, die gerade wegen ihrer Spröde hohen Wiedererkennungswert haben. Sugar klingen rauher, treibender, dichter als Mould es sich auf seinen Soloplatten zugestehen wollte. Trotzdem offenbaren sie den melodiösen Charme amerikanischer Gitarrenbands. Im Zuge der Sensibilisierung aller Hitparaden für harte und schräge Töne, könnten es Sugar in der Bugwelle von Nirvana ganz nach oben schaffen.

Die Single „Changes“ zum Beispiel hinterläßt trotz der heulenden Gitarrenarrangements in erster Linie einen eingängigen Refrain in den Ohren des Hörers. Und auch ein schrägfröhlich dahinhüpfender Gitarrenpopsong wie „If I Can’t Change Your Mind“ geht, einmal gehört, nicht mehr so schnell aus dem Sinn. Gleichzeitig leben „Slick“ oder „Man in the Moon“ mit ihrer psychedelischen Atmosphäre wieder einmal mehr vom Aufeinandertreffen kreischender Gitarren und eines indifferent-schwebenden Gesanges.

Ob wir nun unbedingt Anklänge an die Pixies, Violent Femmes oder Nirvana heraushören wollen, oder in „Hoover Dam“ gar an die frühen Beatles erinnert werden — „Copper Blue“ (Veröffentlichungstermin 1. September) ist eigenständig, dynamisch und innovativ. Mould hat den idealen Kompromiß gefunden: hart genug, um eingefleischte Fans zufriedenzustellen und dicht genug produziert, um auch ein Mainstream-Publikum zu bedienen. Zuckerbrot und Peitsche — das ist das süße Geheimnis des neuen Rock-Crossovers. (sie)

Hintermann als Frontman: Bob Mould

Die eigentümliche Mischung ous wilden Gitarrenexzessen und einem seltsam sphärischen Gesang wurde schnell zu seinem Markenzeichen. „Eine unverwechselbare Art, mit Details umzugehen. Das ist Stil“, wies Mould Kritiker seiner Dünn-Stimme zurecht. Musik beschrieb er schon früh als .reinigenden Akt“; seine Texte erzählten von den alltäglichen Aggressionen: Zorn, Haß, Traurigkeit, Frustration. Als Rockmessias sah er sich nie: .Ich bin als Musiker völlig unpolitisch. Warum? Weil ich keine Ahnung davon habe.“

Ebenso ließ ihn stets kalt, daß man ihn und seine Mitstreiter regelmäßig zur „worst dressed band* kürte. Die Kleidung war nicht einmal geschmacklos, sie war schlicht indifferent: Einzelteile, die nicht das Geringste miteinander zu tun hatten.

„Ich mag mich nur mit Dingen beschäftigen, die mir wichtig sind“, fuhr er den Nörglern in die Parade. „Und Klamotten stehen auf dieser Liste nun mal nicht sehr weil oben.

Nach der Trennung von Hart und Norton (siehe rechte Spalte) mietete er eine heruntergekommene Farm in Nähe von Minneapolis, hörte auf zu trinken und spielte seine erste Soloplatte ein. „Workbook“ zeigte einen anderen Bob Mould: ruhige Töne; das Cello hielt Einzug in seine Musik. Schon mit dem Nachfolger „Black Sheets of Rain“ besann er sich wieder stärker auf sein furioses Gitarrenspiel. Mould war ein Mann der Extreme, der nun, 31 jährig, seinen goldenen Mittelweg gefunden hat. (sie)

Die Wurzeln im Krach: Hüsker Du

Hüsker Du entstanden 1978 in Minneapolis. Gitarrist Bob Mould, Bassist Greg Norton und Schlagzeuger Grant Hart diente ein skaninovisches Brettspiel als Pate für ihren eigenwilligen Gruppennamen, der soviel bedeutet wie „Weißt du noch?“ 1981 erschien „Land Speed Record“, ein erfolgreicher Versuch, als Speedpunkband alle bekannten Geschwindigkeitsgrenzen zu überschreiten. Kurzum: 26 Minuten purer Krach.

Bis 1988 wuchs Hüsker Düs Diskographie auf acht Alben an. Zwischen frühen Beatles, Byrds, Punk und Heavy Metal brauten Hüsker Du eine eigenartige Mixtur verschiedener Stile und Techniken. Blühende Melodien verbanden sich mit apokalyptischen Lärmteppichen, skurrilste Feedbacks mischten sich mit einem vernebelten Gesang, und doch blieb immer noch eine Melodie übrig. „Grunge Metal* nannten sie ihren Stil, der für Bands wie R.E.M. eine ebenso wichtige Inspiration war wie heute für Nirvana.

.Eine Mundvoll Abflußreiniger, der die zarte Kehle des Pop runterätzt“, beschrieb der englische New Musical Express die Musik von Hüsker Du — der Aufstieg zur Kultband war unvermeidlich. 1986 wechselte das Trio mit „Condy Apple Grey“ erstmals zu einem Majorlabel — im folgenden Jahr wurde „Warehouse: Songs and Stories“ als idealer Soundtrack für die kleinen Katastrophen des Alltags gefeiert. .Wir spielen nur Rock V Roll“, schlug Mould alle versuchten Klassifizierungen in den Wind. .Wir sind ganz gewöhnliche Leute, die ganz gewöhnliche Geschichten über gewöhnliche Dinge für ein ganz gewöhnliches Publikum schreiben.“

Es sollte die letzte Platte des Dreigestirns bleiben: Bob Mould, Grant Hart (heute Nova Mob] und Greg Norton trennten sich 1988 nach heftigen Streits und diversen Drogenproblemen.