Blind Date mit Bob Mould: „Wir waren eine wilde Band in wilden Zeiten“
Mit Hüsker Dü prägte er nicht nur den 80er-Hardcore, bis heute ist er als Solist kreativ & relevant. Wir haben Songs vorgespielt.

Bob Mould wurde am 16. Oktober 1960 in Malone, New York, geboren. Zusammen mit Grant Hart und Greg Norton gründete er 1978 Hüsker Dü, die sich bis zum Split 1987 von einer Hardcore-Band zu einer der prägendsten US-Formationen entwickelte und Strömungen wie Indie-Rock, Grunge und Alternative nachhaltig beeinflusste. Seit Ende der 80er ist Mould als Solist aktiv, mit seiner Band Sugar brachte er in den 90ern erfolgreiche Platten auf dem Creation-Label heraus. Lesenswert ist auch seine Autobiografie „See A Little Light“ (2011).
Zur Veröffentlichung seines neuen Albums HERE WE GO CRAZY haben wir Bob Mould mit einer Handvoll Songs konfrontiert.
The Byrds – „Eight Miles High“
Bob Mould: Das ist natürlich ein absoluter Klassiker. Als Kind hatte ich eine Menge Jukebox-Singles aus den 60ern. Das war meine früheste musikalische Prägung, Beatles, The Who, The Hollies, Petula Clark. Ich kannte „Mr Tambourine Man“, später empfahl mir Peter Buck, mich mit den Alben auseinanderzusetzen. Mit YOUNGER THAN YESTERDAY fing ich an, das machte mich so richtig zum Fan.
Ihr habt den Sound mit Hüsker Dü teilweise adaptiert, zu jener Zeit eher ungewöhnlich im Punk.
Die erste Punkwelle war vorbei, die Sixties ohnehin längst, mit Hüsker Dü wollten wir etwas Neues erfinden, wir kombinierten diese Stiles.
War es schwer, den Song zu covern?
Nein! (lacht) Um ehrlich zu sein, passierte es eher zufällig. Beim Soundcheck für die Studioaufnahmen zu ZEN ARCADE haben wir Coversongs gespielt. Einer davon war „Eight Miles High“, den haben wir im ersten Take aufgenommen.
Sex Pistols – „Anarchy In The UK“
Die erste Single der Pistols. Super!
Wie groß war der Einfluss aus dem UK?
Sehr groß! Ich lebte in einem kleinen Ort, nördlich von New York, da war nicht viel los. Von den Sex Pistols hatte ich gelesen. Dann gab es auf NBC eine Reportage, „Diese Musik schockt das britische Königreich“. Ich saß mit meinem Kassettenrecorder vor dem TV und habe mitgeschnitten. Eine der Bands waren die Sex Pistols. Ich war völlig aufgekratzt. Das ist ja so cooles Zeug, dachte ich.
Wie schaust du heute auf NEVER MIND THE BOLLOCKS?
Eine fantastisch klingende Platte, die Produktion ist kompakt, so dermaßen dicht. Der Gitarrensound von Steve Jones ist grandios, diese klassisch britische Kompression, das Ganze kommt am Ende in den Stereomix und knallt einfach. Man kann sagen, was man will, aber bei den Pistols stimmten Timing und Inhalt. Klar, Malcolm McLaren hatte aus seiner Zeit als Manager der New York Dolls ein paar Ideen aus den USA nach London mitgebracht, aber die Kombi machte es. Das war die Geburtsstunde einer ganzen politischen und kulturellen Bewegung.
Hast du John Lydon mal getroffen?
Mein Solodebüt WORKBOOK habe ich 1989 bei Virgin veröffentlicht, PIL waren auf demselben Label. Als ich in San Francisco spielte, kam er zur Show. Jello Biafra war auch da, wir quatschten eine Weile zu dritt, daran kann ich mich gut erinnern. John ist ein wirklich supernetter Typ, auch wenn er in der Öffentlichkeit natürlich viel für sein schräges Image tut.
Garbage – „Vow“
Garbage! Damals wie heute eine fantastische Band. Butch und ich kennen uns ewig. Wir haben Mitte der 80er zusammen die Band Tar Babies produziert und sind uns über die Jahre immer wieder begegnet. Auf der einen Seite hast du bei Garbage diese fantastischen Musiker und Produzenten, dazu eine Persönlichkeit wie Shirley Manson am Gesang.
G.L.O.S.S. (Girls Living Outside Society’s Shit) – „Give Violence A Chance“
Oh ja, das ist cool.
Ich habe von ihnen in einem deiner Interviews gelesen, die Band hatte mich direkt am Haken. Was für eine Energie.
Das kannst du wohl sagen. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf sie gekommen bin, aber sie haben mich auch sofort gepackt. Mit Themen wie Transgender, Queerness und Feminismus ist das aktueller denn je, auch wenn es die Band leider nicht mehr gibt, aber ihr Sound, ihr ganzes Konzept haut dich um. Das ist wie ein Handbuch für verrückten, engagierten Hardcore-Punk. Politisch wie Crass, dazu diese Songs mit Anklängen an Discharge und Motörhead, irre gut. Hast du dir mal einen Liveclip angeschaut?
Ja, ich habe grinsend vor dem Computer gesessen.
Ich wünschte, ich hätte sie mal live gesehen. Diese Dynamik und wie sie mit dem Publikum interagieren, das ist dermaßen gut.
Währenddessen tanzt der neue, alte US-Präsident zu diesem Song …
Village People – „Y.M.C.A.“
Das kann man sich nicht ausdenken. Der große Troll und dazu die Village People.
Kaum ein Song ist so „gay“ konnotiert wie dieser. Gleichzeitig gräbt Trump schon mit seinen ersten Dekreten der LGBTQ+Community das Wasser ab, wo er nur kann.
Ja, die Ironie ist unglaublich. Wobei sein Publikum unter 40 keine Ahnung hat. Die finden das einfach nur witzig.
Wie geht es dir in diesen ersten Monaten der zweiten Trump-Administration?
Ich habe es in den letzten drei Jahren schon gespürt, wie sich diese ganze schlechte Energie bei den Republikanern aufgebaut hat. Jetzt entlädt sich alles. In den 80ern habe ich bei meinen Shows schon davor gewarnt, heute passiert es überall, dass Trans-Menschen verfolgt und entrechtet werden. Das sieht alles überhaupt nicht gut aus. Leute, die das Capitol stürmen, werden begnadigt, die Wissenschaft wird untergraben, Zuschüsse gestrichen.
Wie optimistisch bist du noch?
Schwer zu sagen. Die Lage ist katastrophal, dabei gäbe so viel Gutes zu tun. Am Ende geht es nur darum, Trump und seiner Bande die Taschen zu füllen.
Grant Hart – „Old Empire“
Den Titel selbst kenne ich, aber den Song bislang nicht. Das gefällt mir sehr.
Hörst du Grants Musik?
Nicht oft. Ich habe in letzter Zeit alte Sachen von Hüsker Dü gehört, aber meine Solosachen ebenso wenig wie die von Grant. Ich wusste, dass er busy ist, dass er tolle Platten macht. Ich muss mir dieses Album wohl mal besorgen.
Vor seinem Tod 2017 wart ihr wieder in Kontakt.
Ja, wir mussten geschäftlich einiges regeln und haben uns im Zuge dessen vertragen. Ich bin froh, dass wir am Schluss wieder Zeit miteinander verbracht haben, ich habe ihn noch zwei Monate vor seinem Tod gesehen. Wir haben oft darüber gelacht, dass alle denken, wir würden uns die Köpfe einhauen, was längst nicht mehr der Fall war. Mit Greg habe ich gerade erst gemailt, da ist alles okay. Darüber bin ich sehr froh. Wir haben viel zusammen erlebt. Hüsker Dü waren eine wilde Band in wilden Zeiten.