SUMMER KNIGHTS


Kanye West macht Polit-und Pornorap auf unpolierten Acid-Beats, Jay-Z gemeinsame Sache mit dem Großkapital und Bushido allen „Bild“-Lesern eine Freude, indem er endlich wieder ohne Grund gegen Politiker und Bullen pöbelt und damit alte Feindbilder restituiert. Nur: Was machen eigentlich alle anderen? Fast schien es in diesem Frühsommer, als sei der reguläre Rapbetrieb unter der Last der Großereignisse kollabiert. Dabei hätte man nur genauer hinsehen müssen. Dann hätte man zum Beispiel Tree entdeckt, einen blutjungen Autodidakten aus Chicago, der mit SUNDAY SCHOOL und SUNDAY SCHOOL II: WHEN CHURCH LETS OUT zwei der besten Mixtapes der letzten zwölf Monate verantwortet. In seinen Beats mischt er schiefgeschnittene Soul-Samples mit schmerzhaft harten Trap-Drums und rappt darüber den Gospel des guten Jungen in einer verrückten Stadt. Kendrick auf Ghetto, ergreifend schlicht und schlicht ergreifend.

Ebenfalls aus Chicago ist Chance The Rapper, und auch er entstammt einer Generation, der lokale und historische Zuschreibungen keinen YouTube-Klick wert sind. So rappt er mal über galaktischen G-Funk, mal über free-jazzig zickende 808-Snares, mal über gut abgehangene Soulplatten. Auffällig ist dabei die Eleganz, mit der er auch komplexere Gedankengänge über tägliche Tiefschläge und nächtliches Highsein in einen majestätisch eleganten Flow fasst. Kein Wunder, dass Q-Tip sich als Fan geoutet hat. Aktuell und gut ist das Mixtape ACID RAP, auf dem auch das Chicagoer Urgestein Twista, Action Bronson und Ab-Soul aus Kendrick Lamars Black-Hippy-Crew zu hören sind – und alle furchtbar alt aussehen neben dem Mann mit der krächzenden Knabenstimme. Und dann ist da noch Joey Bada$$. Der Newcomer 2012 stellt sich auf seinem neuen Mixtape SUMMER KNIGHTS mehr oder weniger bewusst in eine Traditionslinie mit der Boot Camp Clik, mischt gefilterte Basslines mit Ragga-Flows und Swag für sechs.