Surrogat


Hamburg, Molotow

„Rausch, Wahnsinn. Maßlosigkeit, sagen Surrogat. „Du bist tot“, sagen sie auch. Und da, direkt über der Kloschüssel, noch ein Spuch: „Sex, Drugs & Eigenheim.“

Die ganze Stadt scheint zugepflastert mit diesen kleinen, grellen Surrogat-Aufklebern. Man fühlt sich schon unsittlich berührt vom plattenfirmenfinanzierten Promo-Parolen-Pogo. Funktioniert so der deutsche Underground, wenn ihn ein Major-Label verwaltet? Vier Wochen später: Konzert. Nein, zwei Konzerte. Hintereinander. In derselben Stadt. Wow! Wie früher, als man noch nicht auf der Welt war und auch sonst alles cooler. Eintritt kostet sieben Euro. Toll. Bleibt Geld für zehn Bier. Fünf sind schon geschluckt, weil die Vorband langweilt. Das Molotow ist ein Clubzwerg, so klein. Heiß ist es, eng und stickig. Der Alkohol knallt rein. Surrogat auch. Damit das auch klappt, steht ein zweiter Gitarrist auf der Bühne: Herman Halb, immerhin ist das neue Album „Hell In Hell“ eine AC/DC-Monster-Riff-dicke-Hose-Hardrockplatte mit deutschen Parolen. Das muss brummen. Tut’s dann auch. Schlagzeugerin Mai-Linh prügelt wie ein außer Kontrolle geratener Roboter, Sänger Patrick Wagner hat das Weiße in den Augen und die Faust in der Luft. Das steht, wackelt nicht und atmet keuchend. Fetter und lauter geht Rockmusik kaum, plakativer können Texte nicht sein: in Turnschuhen sterben, alles zerstören und Love, Baby! Klar. Das ist Proll-Rock, aber voll. „Patrick Wagner Superstar, du machst Träume wahr“, schreit Wagner und sagt danach nett „Danke“ für das laute Geklatsche. Ups. Erst den fetten Macker machen und dann in der Pause lieb mit dem Publikum plaudern? Bruch im Bild. Ironie, wa?! Oder nicht? Keiner weiß es. Aber endlich können auch Spex-Leser stumpf den Schädel schütteln und sich dabei trotzdem subversiv fühlen. Es geht weiter. „Berlin liebt dich“, und Hamburg liebt Surrogat, zumindest an diesem Abend. Vor der Bühne wird gesprungen und geschubst. Am nächsten Tag ist alles anders: Keiner springt oder hüpft oder regt sich sonst wie. Das sind die Leute, die wegen den Aufklebern gekommen sind. www.surrogat.com