The Alarm – London, Town & Country Club


Der Town & Country Club, eine der besten Adressen für Rock in London, ist zum Bersten voll. Angesichts der Menge von beinharten Zuschauern, die die Halle auch in dieser zweiten Alarm-Nacht stürmen, könnte man die Meldung vom Vortag fast glauben: Hartgesottene Fans hatten in der Nacht zuvor trotz eisiger Kälte vor der Halle campiert, um noch die letzten Karten zu ergattern. Ob’s stimmt oder nicht – gelohnt hätte es sich allemal. Denn Alarm haben sich inzwischen auf eine spannende Mixtur aus aufputschendem Gitarrenrock, saftigen Melodien und kargen Folk-Elementen eingestimmt. Und auch die Dramaturgie des Abends, mit den rockigeren Songs am Anfang und am Ende und einem ruhigeren, akustikbetonten Part in der Mitte der Show, haut hin.

Genau wie auf ihrer neuen LP EYE OF THE HURRICANE zollen die Vier auch live ihrer wallisischcn Herkunft Tribut: nicht ohne Grund steht diese neue Konzertreise unter dem Motto „Electric Folk Tour“. Die neuen Songs, wie das verträumte „Rain In The Summertime“, das live noch ätherischer klingt als in der Vinylversion, fügen sich nahtlos in das vorhandene Repertoire-Gewebe. Und wenn Alarm in „New Town Jericho“ das

Schicksal einer vergessenen Siadt besingen, dann wirkt das wie die Fortsetzung der Ode an Liverpool. „Spirit Of 76“.

Live wird das Quartett aus Nordwales von Mark Taylor an den Keyboards unterstützt, dem der Mann am Mischpult aber glücklicherweise nicht allzuviel Saft verpaßt. Mike Peters‘ Stimme ist nach wie vor das größte Plus der Band, rauh und mit einem leichten Ansatz von Brüchigkeit in den härteren Songs, gefühlvoll geschmeidig in den Balladen. Die rothaarige Leder-Lolita neben mir bekommt feuchte Augen und zückt ihr Feuerzeug.

Für mich ist die spärlich instrumentierte Version von „One Step Closer To Home“, für die Dave Sharp mit seiner merkwürdig heiseren Stimme den Leadgesang übernimmt, einer der Höhepunkte der Show. Unweigerlich kommt einem hier der Vergleich mit U2 in den Sinn, der in letzter Zeit des öfteren für diese Band bemüht wird. Abgesehen davon, daß sowohl die U2-Fans als auch die Alarm-Anhänger diesen Vergleich am liebsten mit Gefängnis nicht unter zwei Jahren bestrafen würden, abgesehen auch von den musikalischen Unterschieden: Mike Peters hat nun mal nicht das Charisma eines Bono Vox.

Zum Glück allerdings auch nicht dessen Bekehrungsallüren. Peters wirkt immer noch unkompliziert, natürlich und spontan auf der Bühne. Er ist einer der wenigen Sänger, die nicht nur mit den Reaktionen der Zuschauer spielen, sondern zunächst einmal für ihr Publikum arbeiten. „Wir fühlen uns für die Fans verantwortlich, die uns jede Nacht folgen. Deshalb spielen wir auch jeden Abend ein anderes Repertoire. Wir sind eben nach wie vor eine Live-Band“, hatte Peters vor dem Konzert versichert.

Stimmt. Auch der Knabe, der sich die Nacht zuvor brüstetc, sein 175. Alarm-Konzert gesehen zu haben, kam bei seinem 176. Besuch auf seine Kosten.