The Flaming Lips


Köln, Kantine

Menschen, Tiere, Sensationen: Die musikalische Wundertüte der Flaming Lips ist prall gefüllt, bietet Spiel, Spaß und Spannung – und die alterschönste Form von Tieftraurigkeit.

Alle Tiere sind schon da. Am linken Bühnenrand tanzen ein possierliches Äffchen und ein Hahn, am rechten blenden ein Tiger und ein Bär mit Baumarktlampen das Publikum. Über den Leuten schweben knallbunte Luftballons, die kontinuierlich von Trockeneisnebelschwaden eingehüllt und in ihrer Flugbahn von Konfettiregen beeinträchtigt werden, und inmitten des posenden Fauna-Kollektivs tummeln sich noch mehr Tiere: Der pinkfarbene Elefant bedient die Gitarre, das Zebra spielt Bass, ei n weiterer Tiger ist für die Keyboards zuständig. Beim Drummer lässt sich beim besten Willen nicht sagen, welcher Spezies er angehört.

Herzlich willkommen bei einem Konzert der Flaming Lips, hereinspaziert in ein wunderbares Paralleluniversum, in dem nur einer nicht animalisch kostümiert ist: Wayne Coyne, der Zeremonienmeister der ganzen Veranstaltung, trägt einen schnieken weißen Anzug, singt „Fight Test“, das Stück mit der serienmäßig eingebauten Cat Stevens-Hommage, und führt fortan sehr charmant durch den modernen Fünfkampf-Abend: kommen, gucken, staunen, freuen, die Band liebhaben. Zum Beispiel dann, wenn von der Videoleinwand der wild dirigierende Herbert von Karajan, barbusige Mädchen, Orffs „Carmina Burana“ und der kontrollierte Krach der Band eins werden. Oder wenn Wayne Coyne das Kind im Manne hemmungslos rauslässt, mit Plastikrobotern spielt, auf der Projektionsfläche hinter ihm die Teletubbies-Sonne aufgeht, ebendort Häschen hoppeln und der Sänger zwischen Songs wie „Yoshimi Battles The Pink Robots Pt.1“ und „In The Morning Of The Magicians“ das Geschehen knapp analysiert-. „A very guiet mind-fuck“. Oder wenn Coyne so lange nicht Ruhe gibt, bis sich im Publikum endlich jemand dazu bekennt, Geburtstag zu haben. Was folgt, ist eine beherzte Version von „Happy Birthday“, beim Absingen klatscht sich der Gratulant Theaterblut auf die Stirn, zieht eine Handpuppe im Nonnenkostüm hinzu und freut sich wie ein Schneekönig, als auch noch der Letzte im Saal mitgrölt.

Ironie hat hier heute Abend Pause, der Zynismus muss draußen bleiben wie Hunde vor der Metzgerei; die Flaming Lips wissen, dass nach dem Konzert für viele eine Realität wartet, die nicht selten richtig scheiße ist – und gerade deshalb ist ihr ganz eigener Budenzauber so immens wichtig. „Do you realize that everyone you know will die?“, fragt uns Wayne Coyne und wirkt dabei wie einer, der das Pop-Panoptikum aus dem Effeff beherrscht. Ach ja, richtig: Der Tod steht am Ende des Lebens, er ist nunmal der natürliche Schlusspunkt, auch das musste mal gesungen werden. Als grandios verhuschte Rasselbande bescheren einem die Flaming Lips mit diesem fabulösen Konzert ein seltsam beruhigendes Gefühl und zugleich die allerschönste Form von Tieftraurigkeit: Soll er doch kommen, der Tod -Hauptsache, man macht vor dem Sterben das Beste aus seinem Leben. Zusammen mit Äffchen, Häschen, Tiger, Elefant. Zebra – und den Fläming Lips. www.flaminglips.com