The Inspiration Sleeps Tonite


R.E.M.

Collapse Into Now

Warner

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Alternative Rock: Jetzt ist es dann aber auch mal gut, weil es eben schon wieder nicht gut ist.

Die Vorzeichen für dieses Album standen gut. Nach ihrem kreativen Tiefpunkt Around The Sun wollten R.E.M. sich noch mal aufrappeln. Mit Accelerate gelang ihnen dies zumindest bei ein paar Songs wie dem engagierten „Living Well Is The Best Revenge“, aber insgesamt blieb die Band unter dem Niveau ihres anderen Rockalbums Monster und hinter ihren Möglichkeiten zurück. Wobei sich das immer so leicht schreibt. Was sind denn aktuell die Möglichkeiten von R.E.M.? Nur weil sie einst über lange Zeit serienmäßig hervorragende Alben aufnahmen, ist ja nicht gesagt, dass sie das prinzipiell können, solange sie sich nur anstrengen. Auf Accelerate strengten sie sich an, aber gereicht hat es nicht. Collapse Into Now, ihr 15. Studioalbum, reicht auch nicht. Wenigstens haben sie sich hier aber auch nicht sonderlich angestrengt. In „Überlin“ singt Michael Stipe sogar „I don’t mind repeating“. Na, immerhin. Ihm macht es also nicht viel aus, immer wieder die Gesangsmelodie aus „Drive“ zu variieren und die immer gleichen Gitarrenlicks von Peter Buck zu hören. Aber uns macht es was aus. Uns, die wir seit 15 Jahren, seit New Adventures In Hi-Fi, unverhältnismäßig unbeirrt von allen Enttäuschungen hoffen, dass R.E.M. noch mal ein wirklich bedeutendes, den seit spätestens Document nun mal existierenden Ansprüchen gerecht werdendes Album zustande bringen. Doch mit Collapse Into Now ist die Geduld überstrapaziert. Der Opener „Discoverer“ discovert gar nichts, richtet sich über seine gesamte Spielzeit auf, ohne aber jemals die angedeutete Statur zu erreichen. Auch „All The Best“ verhält sich wie die Antithese zu seinem Titel, rockt richtungslos seinem Ende entgegen. Mit dem Schunkler „Oh My Heart“ wird noch im ersten Albumdrittel Dämmerzustand erreicht. Wer ihm standhält, wird spätestens „Every Day Is Yours To Win“ nicht wachen Auges überstehen: ein Schlaflied, das wenigstens auch nichts anderes sein will. Danach die Single „Mine Smell Like Honey“: Die Strophe verfügt über die beste Melodie des Albums, die dagegen abschmierenden Bridge und Refrain bestätigen die These, dass sich die Band für dieses Album kein Bein ausreißen wollte. An „Blue“, einem Duett mit Patti Smith, lässt es sich leider einzig wegen seiner Funktion als Erinnerung an das erste aufgenommene Zusammentreffen dieser beiden wunderbaren Stimmen im unheimlichen und unheimlich guten „E-Bow The Letter“ erfreuen. Warum man sich im Standardrocker „Alligator Aviator Autopilot Antimatter“ (welches Bandmitglied findet seit „Supernatural Superserious“ eigentlich so großen Gefallen an krampfigen Alliterationen?) wohl für Peaches als Backgroundsängerin entschieden hat? Na ja, irgendwas musste man schließlich als Souvenir aus Berlin, wo große Teile der Platte entstanden, mitnehmen. Überhaupt: Berlin. Dort, im Berghain, so besagt es der Volksmund, habe Michael Stipe wild um sich getanzt. Sollte dem so gewesen sein, dann weiß Stipe Berufliches von Privatem gut zu trennen. Collapse Into Now klingt ohnehin von wenig inspiriert. Wenn überhaupt, dann von langweiligen Stücken auf seinen Vorgängern. Aber ganz bestimmt nicht von exzessivem Leben.

Artverwandtes: The Replacements Pleased To Meet Me (1987), Camper Van Beethoven Key Kime Pie (1989)