The Singles


Ein relativ informationsfreier, dafür aber in sehr blumigen Worten verfasster Waschzettel liegt dieser EP bei. Wahrscheinlich muss man als Musikjournalist wissen, wer und was und woher Abby sind und kommen. Wissen wir natürlich auch, verraten wir aber dem Leser nicht. Doch. Kommen aus Mannheim, klingen aber nicht so – wobei definiert werden müsste, wie was klingt, das aus Mannheim kommt. „Welcome Home“ (Snowhite/Universal) jedenfalls ist fünf Songs lang britisch eingefärbter Indie-Pop-Rock, der gleichermaßen vom neuerdings grassierenden Soft-Folk-Pop-Virus infiziert ist, wie er von einer dezenten Elektronisierung lebt.

Dieses Lied hier entwickelt sich trotz einer vordergründigen Harmlosigkeit zu einem gewaltigen Hit: „Synchronize“ (DFA) von Discodeine Feat. Jarvis Cocker. Das französische Produzenten-Duo Pentile und Pilooski lässt den über jeden Zweifel erhabenen ehemaligen Pulp-Sänger über phillysoundähnliche Streichersamples singen. Ein housiger Popsong, den man sich in dieser Form auch von The Whitest Boy Alive vorstellen könnte.

Das Experiment wurde schon einmal von Tocotronic im Jahr 1996 durchgeführt. Da spielte die Indie-Band den klassischen House-Track „Muzik“ von DJ Pierre in einer 1:1-Version in ihrer klassischen Indie-Band-Besetzung nach. Gleiches tat James Murphy mehr als ein Jahrzehnt später mit dem 1994er Techno-Track „Throw“, der jahrelang in der Zugabenabteilung von LCD-Soundsystem-Liveauftritten zu finden war. Paperclip People war eines der zahlreichen Aliasse des großen Detroit-Produzenten Carl Craig und Murphys Bandversion ursprünglich der iTunes-Bonustrack für die Herunterlader des Album This Is Happening. Dass jetzt Fälschung und Original von LCD Soundsystem / Paperclip People „Throw“ (Planet E Records) auf 12-Inch erscheinen, ist Carl Craig zu verdanken.

Wir wissen nicht, ob Thomas Muller wirklich so heißt, oder ob die Abwesenheit der Ü-Striche in seinem Nachnamen auf einen vorauseilenden Internationalitätsanspruch des Künstlers zurückgeht. Aber, ehrlich gesagt, wollen wir das Rätsel auch gar nicht lösen. Frei nach dem Mann, der Liberty Valance erschoss, gilt auch hier: „Unsere Legenden wollen wir bewahren. Sie sind für uns wahr geworden“. „Sunday Monday“, der Track auf der A-Seite von „Melo“ (BPitch Control/Kompakt) bietet dieses Maß an repetitivem, housigem Minimal-Techno, den man dann doch ganz gern wieder mal hört. Während „Red Noir“ dann ein bisschen perkussiver und verschachtelter daherkommt.

Suzi Horn und Tobin Prinz mit ihrer aktuellen Single. Das heißt: mehr von dem, was ihr 2007er Debüt zu bieten hatte. Aber weil dieses so großartig war, kann die Welt gerne noch ein bisschen was davon vertragen. „Seed, Crop, Harvest“ (DFA) von Prinzhorn Dance School ist Minimalisten-Rock, mit Bass, Schlagzeug und Gesang. Funky wie die frühen Gang Of Four, quälend wie die frühen The Fall.

Wir wissen ja alle, dass es sich bei dem österreichischen DJ Parov Stelar um den Erfinder des Electroswing handelt. Nicht? Eine Erklärung für das Wort Electroswing ist trotzdem nicht nötig, weil: what you read is what you get. Entsprechend ist das 5-Track-Minialbum „The Paris Swing Box“ (Etage Noir/Our Distribution) eine Mischung aus swingendem Jazz (im günstigsten Fall circa früher Moondog) und housigen Beats, die man manchmal als ein bisschen prollig empfinden kann.

Die Indie-Rock-Electronica-Fusionäre Stateless aus Leeds mit dem Vorgeschmack auf ihr demnächst erscheinendes zweites Album. „Ariel“ (Ninja Tune/Rough Trade) kreist um eine afrobeatige Gitarrenfigur und hat auch ein paar hübsche Subbässe im Angebot, bleibt aber in der Summe eher unaufregend. Was von den drei Remixen auch nicht wettgemacht wird.

Der Portugiese Tiago Miranda ist ein weiterer Beweis für den Internationalitätsanspruch und die Grenzenlosigkeit der elektronischen Musik. Nach zahlreichen Veröffentlichungen für Labels wie Italians Do It Better, Rong Music und Eskimo ist Tiago mit seiner aktuellen 12-Inch „Disambiguation“ (DFA) bei James Murphys DFA-Label gelandet. Und da passt diese Musik hin wie nur was, dieser wunderbare Hybride aus Disco und House, der sich nicht für ein paar sonische Schrägheiten zu schade ist. „Nada A Perder“ (deutsch: nichts zu verlieren) auf der B-Seite ist dann die Hommage an den Piano-House mit ein paar sanft irrlichternden Psychedelisierungen.