This is England!


Mit eminemesquen Hip-Hop gelang Plan B ein Achtungserfolg. Das war ihm nicht genug. Also legte er nach: Soul mit Grime-Raps – das Eastend tanzt.

Es war einmal ein Rapper aus Ost-London: Plan B, bürgerlich Ben Drews. Seine groben Beats begleitete er mit der Schrammelgitarre, seine Texte handelten vom cracksüchtigen Freund der Mutter und von rassistischen, minderjährigen Mördern. Dass sein Debütalbum Who Needs Actions When You Got Words gerade mal eine Woche lang auf Rang 30 der Hitparade stand, war in seinen Augen nicht genug Lohn für sein originelles Schaffen: „Ich merkte, dass man in dem Geschäft nur respektiert wird, wenn man Platten verkauft“, sagt er. „Ich fand das zum Kotzen. Künstler müssten mit Respekt behandelt werden, wenn ihre fuckin‘ Musik gut ist!“ Die Kluft zwischen Idee und Wirklichkeit machte ihm zu schaffen.

Dann las er John Nivens „Kill Your Friends“. Eine herrlich zynische Satire über das Musikgeschäft, ganz nach dem Motto „die fiese Sau gewinnt immer“. Das öffnete ihm die Augen: „Das Buch hat für mich das ganze Musikbusiness demontiert. Die Hauptfigur ist ein totaler Schweinehund. Plötzlich habe ich mich wiedererkannt in den Leuten, über die er sich so gnadenlos lustig macht. Ich merkte, dass ich mich wohl eine Spur zu ernst genommen hatte.“ Er erkannte, dass er ins Abseits geraten war. Niemals hätte ihn der mangelnde Erfolg so runterziehen dürfen. „Es ging mir ja nie ums Geld. Mit dieser Erkenntnis fiel der ganze Druck von mir ab. Selbst wenn mich die Plattenfirma fallen lässt – irgenwie komme ich schon wieder zu Geld. Fuck it! Jetzt werde ich das Album machen, das ich machen will.“

Und siehe da: Auf dem Konzeptalbum The Defamation of Strickland Banks legt der aggressive Rapper plötzlich eine samtene Soulstimme zwischen Marvin Gaye und Frankie Valli an den Tag. Die Lieder sind klar von der Motown-Tradition geprägt und reihen sich bestens in den Retro-Groove zwischen Winehouse und Duffy ein. Sie handeln vom fiktiven Soulsänger Strickland Banks, der sich mit Liebesliedern dumm und dämlich verdient und schließlich unschuldig im Gefängnis landet. Das Album ging in der ersten Woche an die Spitze der britischen Charts, die unverschämt eingängige Single „She Said“ steht seit zwei Monaten in den Top Ten.

Dennoch: „Ich ging mit dem Album ein erhebliches Risiko ein“, sagt Drews. „Wenn es ein Flop geworden wäre, hätte ich auch mein Hip-Hop-Publikum verloren.“ Außerdem sei er ja primär ein Geschichtenerzähler: „Da ist es doch selbstverständlich, dass man den Stil der Geschichte anpasst, die erzählt werden soll.“ Seine Geschichten hat Multitalent Plan B auch schon in Filme verpackt – als nächstens geht es an die Dreharbeiten zum Hip-Hop-Musical „Ill Manners“. Und ein weiteres Album ist auch bereits fertiggestellt, The Ballad of Belmarsh. Es erzählt nochmals die Geschichte von Strickland Banks, diesmal aber aus einer neutralen Erzählerperspektive. „Für die Boulevardpresse gibt es nur schwarz oder weiß“, sagt er. „Mir geht es um die Grauzonen. Ich will zeigen, dass die Dinge nicht so einfach sind. Strickland Banks zum Beispiel. Er ist ein bisschen arrogant, ein bisschen nervig, aber darum verdient er es noch lang nicht, für ein Verbrechen eingebuchtet zu werden, das er nicht begangen hat. Denn: „Not every wanker is a cunt!“

CD im ME S. 19

Albumkritik S. 101

www.myspace.com/time4planb