Times Square – Punk und Poesiealbum


„Times Square“ — Ausreißerstory nach Stigwood-Manier Mit Superlativen wird uns jetzt „Times Square“ angepriesen. Diese Robert Stigwood-Phroduktion ist ca. zwei Jahre ah und wirft mit der Speckseite, einem attraktiven Soundtrack, nach dem jugendlichen Publikum. Doch diese mit scheinheiliger Toleranz inszenierte Ausreißerstory löst sich nach der ordnungsliebenden Enuachsenenmoral auf. Daß dieser Film hierzulande mit ca. zweijähriger Verspätung ins Kino kommt, liegt daran, daß Impresario Robert Stigwood sich diesmal wohl verkalkuliert hatte. Nach Jesus Christ Superstar“, »Tommy“ und „Evita“ war ihm mit dem mittlerweile schon wieder legendären „Saturday Night Fever“ ein Mordswurf gelungen. Mit dem so geborenen neuen Teenie-Helden John Iravolta schickte er dann sogleich „Grease“ hinterher, aber mit diesem Fifties-Singspiel ging die Kurve schon wieder nach unten. Als er dann für „Times Square“ wiederum immense Summen kassieren wollte, fand sich zunächst kein deutscher Verleiher, der dieses Risiko eingehen wollte. Da half auch nicht der als Zugpferd eingekaufte Tim Curry, der noch immer von seinem Ruhm als Dr. Frank ‚N Furter aus der „Rocky Horror Picture Show“ zehrt. Als die Preise purzelten, griff der Schröder-Filmverleih aus Düsseldorf zu und ließ die deutsche Synchronfassung ebenfalls im teuren Dolby-Ton hersteRen. Wobei sich die Frage stellt, ob das Risiko, diesen Streifen einfach zu Untertiteln, unterm Strich wirklich zu hoch gewesen wäre. Im Preview für die Medien wurde der Film im Original gezeigt; die deutsche Fassung war noch nicht fertig, weil es ganz einfach viel zu schwierig war, eine adäquate Synchron-Stimme für das räudige Organ der 15jährigen Robin Johnson zu finden. Als urvitales Straßenkind NickyMarotta produziert sie als Leinwandneuling eine Menge Ausstrahlung durch authentische Rotzigkeit. An ihrer Seite ein zwar niedlicher, doch eher nichtssagender Teenager (Trini Alvarado), aber das ist durchaus im Sinne der Story. Pamela, vereinsamtes, in sich gekehrtes Kind eines ehrgeizigen Politikers, der dafür lebt, den New Yorker Times Square von seiner schillernden Zwielichtigkeit zu säubern. Amerikanisches Gesellschaftskolorit, unterlegt mit einem zum Zeitpunkt der Dreharbeiten aktuellen Soundtrack: Pretenders, Rarnones, XTC, Roxy Music, Ruts, Gary Numan, Patü Smith u.a. unterstützen Tempo und Atmosphäre. Nicht zu vergessen Lou Reeds Klassiker »Walk On The Wüd Side“. Exakt den unternehmen die beiden Mädchen, nachdem sie gemeinsam aus der Psychiatrie geflüchtet sind: die Tochter aus gutem Hause zur Beobachtung wegen angeblicher Pubertätsneurosen dort eingeliefert — und das Straßengör Nicky, dem die „staatliche Erziehung“ droht. Kein übler Ausgangspunkt für einen Film mit Tempo, originellen Aktionen, Spaß und ohne allzu hohen Anspruch. Leider macht ein total übersteuerter Katzenjammer im letzten Drittel zunichte, was bis dahin ganz unterhaltsam über die Leinwand ging. Eingenistet in einem verfallenen Fabrikgebäude und verpackt in kreatives Müllstyling, werden die Mädchen mit Hilfe des populären Kummerkasten-DJ’s Johnny LaGuardia (Tim Curry) binnen weniger Tage zum Kult-Phantom: den berüchtigten Sleaze Sisters, die rund um den Times Square das Überleben exerzieren. Zufällig begegnet jede von ihnen dabei ihrem wahren Ich, denn irgendwann muß ja wieder Ordnung herrschen. Die Originalität des Filmes gipfelt in der letzten gemeinsamen Aktion der Schwestern – sie lassen aus luftiger Höhe TVs aufs Pflaster knallen. Aber nachdem klar ist daß Pamela dem ultimativen Startrip ihrer Freundin nicht folgen kann, dreht das Straßenkind kurzfristig durch. Denn Pammie schreibt ihre Verse nach wie vor lieber ins Poesiealbum, anstatt sie wie Nicky Rock’n’Roll-mäßig herauszuwürgen (,Damn Dog“). Und so endet diese opportunistisch von Erwachsenen erdachte Story ermüdend konform: das Underdog-Mädchen und die behütete Tochter dürfen nur soviel voneinander lernen, wie das System verkraftet. Am Ende landet jede dort, wo ihr Platz ist: Pammie in den Armen ihres Daddies und Nicky als neues Rock’n’Roll-Idol in den Armen ihrer Fans. Denn das ist der einzige Aufstieg, den die Gesellschaft einem armen Schwein erlaubt.