Tracy Chapman / Melissa Etheridge


Was für ein Kontrastprogramm: Tracy Chapman verzauberte im Deutschen Museum zu München mit weltentrückten Songs ihr ehrfürchtig lauschendes Publikum. Und eine Woche danach heizte Melissa Etheridge den Bayern mit schweißtreibendem Rock mächtig ein. Hier die sensible Künstlerin mit Heiligenschein, dort die ruppige, aber herzliche Akkord-Arbeiterin – und beide überzeugten.

Das Phänomen Tracy Chapman präsentierte sich ganz feierlich, von einem einfachen Lichtkegel umrahmt, auf der großen Bühne des Konzertsaals und sang mit spröden Gesten und mächtiger Stimme ungemein sensible, intensive Lieder. Für solch ernsthaftes Kulturgut mußte man einen entsprechend saftigen Eintrittspreis berappen, obwohl sich die Produktionskosten sicher im bescheidenen Rahmen hielten. Aber dafür trat im Vorprogramm sogar eine waschechte Klassikgitarristin auf: Die blonde Liona Boyd servierte ein freundlich dahinplätscherndes Wunschkonzert klassischer Zupfereien, so daß man sich bange fragte, ob demnächst wohl auch Tracy Chapman in die subventionierte Welt der Opernhäuser und Staatstheater überwechseln wolle.

Alles, was sie dafür braucht, hat sie jedenfalls. Und sie steht scheu und stumm auf der Bühne, als hätte sie ein cleverer Impresario von ihrer Straßenecke am Broadway weggelockt, um sie im Museum der abendländischen Musikkultur als singende und klampfende Alabaster-Ikone auszustellen – die heilige Tracy des schwarzen Ghettos. Ihre Songs sind ja in der Tat traumhaft schön, und ihre unvergleichliche Stimme geht tief unter die Haut. Da vergessen wir doch gerne die nüchterne, kalte Welt da draußen.

Melissa Etheridge steht hingegen mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Sie macht ihr Publikum an, peitscht ein und stachelt auf; sie stellt sofort den direkten Kontakt her, verausgabt sich stimmlich und physisch, ist ein Bündel von Gefühlen, ein Kraftpaket aus Rhythm & Blues, eine Dampfmaschine des Rock ’n‘ Roll. Sie sprüht vor Energie, harmoniert perfekt mit ihren exzellenten Begleitmusikern und erlaubt sich nicht den geringsten Durchhanger und nicht den kleinsten Fehler. Melissa Etheridge und ihre Band sind hervorragend aufeinander eingespielt – vor allem Bassist Kevin McCormick zupft mit Macht und Würde. Und Melissa kommt in ihren Songs auch nach den spannendsten Live-Abschweifungen immer auf den Punkt. Das ist die andere Kultur – die schwitzige, hitzige Rackerei des Rock „n‘ Roll. That’s Entertainment.

Was für ein Kontrastprogramm: Tracy fürs Gemüt und für den Seelenfrieden im irdischen Jammertal hienieden – Melissa mit Rock ’n‘ Roll für Body und Soul. Beide waren großartig. Beides muß sein.