UB 40: Wurzelbehandlung


Es darf gefeiert werden bei den smarten Reggaeteers aus Birmingham: zehn Jahre ÜB 40, zehn Jahre Reggae zwischen Roots und Schmus. ME/Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer suchte in der Geburtstagstorte nach dem Geheimnis der Band - Politik und Profit, Tränen und Traditionen.

Sogar wenn er spricht, klingt es nach Toasting, jener jamaicanischen Urform des Rap: „Es ist wohl immer noch schwer zu verstehen, warum acht Jungs aus Birmingham aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen zusammen Reggae spielen.“ Astro, Toaster und Sänger bei ÜB 40, laßt sich gelangweilt in seinen Sessel zurückfallen. Zu oft mußte er im letzten Jahrzehnt erklären, wie mitten auf der britischen Insel das Jamaica-Fieber grassieren oder gar guter Reggae entstehen kann. Dabei ist alles ganz einfach: „In Birmingham gibt es einen immens hohen Bevölkerungsanteil an Westindies, und an den Wochenenden finden dort schon seit Jahrzehnten regelmäßig an allen Straßenecken Hanse-Parties statt, auf denen fast ausschließlich Reggae gespielt wird. Wir sind ganz einfach damit aufgewachsen.“

Wir, das sind außer Astro und Norman Hassan die beiden Brüder Ali und Robin Campbell (Gesang und Gitarre), Drummer James Brown, Bassist Earl Falconer, Saxofonist Brian Travers und Keyboarder Mickey Virtue. Und die Acht haben nicht nur zur selben Musik ihre ersten Zigaretten (und wahrscheinlich nicht nur die) geraucht, sondern auch gemeinsam die Schulbank gedrückt, lange bevor sie als UB 40 die Instrumente in die Hand nahmen.

Auch nach mittlerweile zehnjähriger Berufsgenossenschaft musiziert UB 40 immer noch in trauter Eintracht. Astro erklärt gelassen das Geheimnis ewig währender Musikerfreundschaft: „Wir kennen uns schon so lange. All die Probleme, die persönlichen Differenzen, die Profilneurosen und die Machtkämpfe haben wir schon miteinander abgemacht, als wir noch zusammen zur Schule gingen. „So einfach ist das. Deswegen leben die Acht immer noch in derselben Stadt, jeweils zwei Minuten voneinander entfernt, und heben vorzugsweise in der selben Kneipe die Gläser auf die nächste Dekade.

Zum Firmenjubiläum haben sich ÜB 40 selber ein hörbares Geschenk bereitet. LABOUR OF LOVE II, der Titel läßt es vermuten, setzt das 83er Erfolgskonzept gecoverter Lieblingssongs fort. Ohne Umschweife bekennt sich die Band zu ihren musikalischen Wegbegleitern: „LABOUR OF LOVE I umfaßte ungefähr die Zeit von l971 bis 1972, auf der neuen Plane geht die Spanne der Songs von 1971 bis 1973. Wir lieben alle diese allen Planen. Das sind genau die Reggae-Stücke, die wir früher gehört haben, und die viel zu schnell in der Versenkung verschwunden sind.“

LABOUR OF LOVE 1 war der bislang größte kommerzielle Erfolg, für UB 40. Natürlich liegt da der Verdacht nahe, daß die klingende Kasse für die Fortsetzungsgeschichte wichtiger war als sentimentale Jugenderinnerungen. Astro fällt deshalb nicht der Joint aus dem Mund: „Mein Gott, natürlich haben wir die Platte nicht gemacht, um draufzuzahlen. Und natürlich wollen wir, daß sie erfolgreich wird. Aber trotzdem ist es zunächst einmal mein Anliegen, daß möglichst viele Leute unsere Lieblingslieder kennenlernen. „

Ein genervter Zug um seinen Mund verrät aber doch, daß sich ÜB 40 mit ihren poppig-leichten Reggae-Rhythmen schon mehr als einmal den Vorwurf der Kommerzialität gefallen lassen mußten. Der kommt selbstredend in erster Linie aus der Ecke puristischer Jamaica-Junkies. Und löst immer noch einen aufgeregten Wortschwall der Verteidigung aus…: „Mein Gott, man kann nicht allen gefallen.“ (Norman) – „Mich langweilen diese ideologischen Schwätzer. Wenn die Musik nicht aus Jamaica kommt, ist es kein Reggae. Völliger Blödsinn.“ (Astro) – „Gut, wir spielen keinen Jamaican Reggae, schließlich sind wir ja auch keine Jamaicaner. “ (Norman) – „Wir haben auch nie versucht, wie eine jamaicanische Reggue-Band zu klingen.“ (Astro) – „Und wir singen auch nicht von Jah. Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum wir bekannt sind. Die Leute können sich mit uns identifizieren, weil wir keine Rastajaris sind, und nicht diese peinliche Propheten-Attiliide haben.“ (Norman)

Der Wortschwall versiegt, Zeit das nächste Reizthema auf den Tisch zu bringen. UB 40 hat sich vor zehn Jahren nach einem Antragsformular für Arbeitslosenunterstützung benannt, UB 40 ist nie vor engagierten Texten zurückgeschreckt … Wenn du uns jetzt über Politik befragen willst, muß ich sofort das Zimmer verlassen. Wir sind Musiker und keine Politiker, und ich will keine Reden halten, sondern Musik machen. Gut, unsere Texte handeln nicht vom schönen Wetter da draußen, aber das ist doch ganz normal. Wir singen über das, was wir sehen, und das kann jeder sehen, der die Augen ein bißchen aufmacht. Deswegen sind wir nicht die großen Chefideologen.“

Ihre erste Mission ist eine andere, und die hat UB 40 mit zehn Top-Ten-Alben und 19 Top-Ten-Singles in England bislang recht erfolgreich erfüllt: tanzbare Roots-Rhythmen für die ganze Welt. „Früher konntest du auf keiner Radiostation Reggae hören und mujkest in Spezialgeschäften sündteure Importe kaufen. Reggae ist die Musik, die wir lieben, und sie ist in den letzten zehn Jahren in Europa um einiges populärer geworden. Wenn wir dazu unser kleines Scherflein beigetragen haben, haben wir für uns schon viel erreicht.“

Ob die UB 40s Streifzüge durchs Musik-Antiquariat in absehbarer Zukunft auch noch LABOUR OF LOVE III ans Tageslicht bringen werden, steht momentan noch nicht zur Debatte. Der Terminplan fordert eine Welttour – und danach…?

„Natürlich könnten wir mit unserer Liste von Lieblingsliedern noch locker zehn Alben fidlen. Aber wir haben auch eine Menge eigenes Material auf Lager, das wir mit Sicherheit als nächstes aufnehmen werden. Sonst glaubt uns ja irgendwann keiner mehr, daß wir auch selber gute Songs schreiben können.“