Verrückter Folkzirkus


Fünf Freunde aus Deutschland Ost möchten als Clowns und Könner auch den Westen erobern

Also, Inchtabokatables“, setzt B. Breuler mit Duldermiene bei der zwölftausendsten Erklärung des Namens seiner Band an, „sagen sie in Australien zu Leuten, die an der Bar stehen, so tun, als gehöre die ganze Kneipe ihnen, und in Wirklichkeit nicht mal ihr Bier bezahlen können.“ Okay. Nur warum schmückt sich die Band aus dem deutschen Osten ausgerechnet mit einem derartigen Zungenbrecher? „Einmal im Kopf, vergißt du ihn nie wieder.“ Das hofft auch die Plattenfirma von Breulers Bande, die in der jungen Kapelle einen echten Hoffnungsträger sieht. Nach dem von einem norddeutschen Kleinstlabel veröffentlichten, großmäulig ‚Inchtomanie‘ betitelten Debütalbum, der Nachfolge-LP ‚White Sheep‘ und ihrer endlosen ‚Schädelfrak-Tour‘ waren die Inchtabokatables in bestimmten Kreisen plötzlich Kult – und einige Zeit später bei einer großen Firma unter Vertrag. Aus gutem Grund: Wenn die fünf Freunde die Bühne entern, tobt zwischen Rostock und Suhl jede Halle. Sänger B. Breuler, der früher einmal Robert Beckmann hieß und in Potsdam als exzentrisch geigender Straßenmusiker zum Mädchenschwarm avancierte, dreht sich wie ein Derwisch, knetet seine abgeschabte Violine und küßt das Mikrofon. Derweil traktiert Kollege B. Deutung ein angegriffen aussehendes Cello mit der Handkante, was Herr Jeh an der zweiten Geige mit einem genüßlichen Grinsen quittiert, Bass ist Hass, nach bestandener Bier-Prüfung neu in der Band, verzieht (wie immer) keine Miene, selbst Trommler Kokolorus, der seine Felle gerbt wie ein Berserker, vermag daran nichts zu ändern. Dazu Breuier, der in dem verrückten Folkzirkus Inchtabokatables namens den Oberclown gibt: „Wir sind zuallererst eine Live-Band. Wenn wir auf der Bühne stehen, ist Konzert und alles andere egal.“ Breiler Beckmann, ein kleiner Mensch mit großer, bühnenfüllender Präsenz reibt seine Truppe mit weit ausladenden Armbewegungen durch eine atemberaubende Show voll schräger Zitate. Die Inchtabokatables ba-rocken und rollen als alles verwertende Trickdiebe, denen nichts heilig ist. Die Rhythmusgruppe groovt mit der poltrigen Grandezza eines Kohletransporters, während Breulers Violine, angeschlossen an einen auf Volldampf gedrehten Gitarrenverstärker, rohe Melodiefetzen aus dem Getöse sägt. Düsterer Gruftgesang trifft auf rüde Punkposen, volksliedhafte Melodik auf die ungebremste Lust am Lärm. Das Ergebnis ist der Alptraum eines jeden Musiklehrers. Dennoch: Mit ihrer überwiegend englisch betexteten Mischung aus Punk und Bänkelgesang, Rock’n’Roll und Irish-Folk, herrlicher Hippieromantik und harschen Heavy-Tönen sind die Inchtabokatables für die Szene D eine echte Bereicherung, Ihr selbstgewähltes Motto sollte da nicht weiter verwirrem.We don’t sell us, we sell our lies.“