Veruca Salt


Girls und Gitarren: Veruca Salt sind die neuesten Lieblinge aus Chicagos alternativer Musik-Szene

Hollywood hilft. Bei der Suche nach einem geeigneten Namen lassen sich neue Bands schon mal von den Charakteren aus der Traumfabrik inspirieren. Bestes Beispiel: Veruca Salt. Das Quartett aus Chicago entlehnte seinen Namen Gene Wilders 1971er Komödie ‚Willy Wonker & The Chocolate Factory‘. „Veruca Salt“ hieß eine kleine Göre, die dermaßen nervte, daß am Ende jeder in hellem Jubel ausbrach, als sie von wütenden Eichhörnchen in den Müllschlucker geworfen wurde. Der Band gleichen Namens wird dieses Schicksal aller Wahrscheinlichkeit nach erspart bleiben. Denn seit neuestem sind die vier Musiker die Lieblinge der US-Musikszene. Gerade mal vor zwölf Monaten taten sich die beiden Bandleaderinnen Nina Gordon (26) und Louise Post (27) zusammen. „Ich kam von einem einjährigen Auslandsstudium in Paris zurück“, erinnert sich Gordon, „und hatte keinerlei Plan darüber, was ich anfangen sollte“. Post fühlte sich zu der Zeit ähnlich: „Ich irrte ziellos durch die Zeit, einem Stück Treibholz gleich. Da stellte mir eine Freundin Nina mit den Worten ‚Die ist dauernd schlecht gelaunt, warum macht ihr nicht zusammen Musik‘ vor. Das war’s.“ Nicht ganz, denn nachdem die beiden ihre Vorliebe für die Breeders entdeckt hatten, fehlte ihnen noch die Band. Per Kleinanzeige suchten sie nach einer Schlagzeugerin und einer Bassistin. Es meldete sich der 24jährige Steve Lack. Zugegeben, der ist zwar kein Mädchen, aber weil er der einzige Anwärter war, bekam er den Job auch. Nina Gordons Bruder Jim Shapiro (29) stieß als letzter dazu. Sein gutes Rhythmusgefühl, das er in diversen College-Bands trainiert hatte, waren den drei anderen Grund genug, ihn an die Drums zu setzen. Die Mischung funktionierte. Innerhalb weniger Wochen hämmerten Veruca Salt 30 Songs raus, nahmen ein Demo auf, und tourten durch kleine Clubs in Chicago. Nach dem Erfolg anderer Chicago-Acts wie Smashing Pumpkins und Liz Phair galt die Stadt als das „neue Seattle“. Auf der Suche nach neuen, heißen Bands durchpflügten die A&R-Leute der Plattenfirmen Chicagos Clubs scharenweise – die Marktlage im Hinterkopf, die Billboardcharts vor Augen und die Breeders in den Gehörgängen. Es war also nicht verwunderlich, daß Veruca Salt mit zwei Mädchen an Mies und Gitarren und ihrem Breeders-Sound für Aufsehen sorgte. Das Indie-label Minty Fresh schlug am schnellsten zu: Unter Aufsicht von Liz Phair-Producer Brad Wood nahm die Band ‚Seether‘ auf. Ein Song, dessen Gitarren so elegant wie Kettensägen klingen, bei dem jeder Patscher auf dem Griffbrett zu hören ist. ‚Seether‘ wurde zum Überraschungshit des Jahres- dank des Powerplays zahlreicher alternativer Radiosender. Soviel Aufsehen ging natürlich nicht an den großen Labels vorbei. Plötzlich rissen sich alle um die Band. Bis zu 17 Nachrichten hatten Gordon und Post täglich auf ihren Anrufbeantwortern, alle mit dem Tenor: „Wenn es eine Band gibt, die dieses Jahr bei uns unterschreiben sollte, dann seid ihr es!“ Im Sommer unterschrieben das Veruca-Label Minty Fresh und der Branchenriese Geffen (Nirvana, Beck) einen Vertriebsvertrag für Verucas Debütalbum ‚American Thighs‘. Die Songs, in denen Gordon und Post auf Ramonesquen Soundwällen über Selbstmord, geheimgehaltene Schwangerschaften und Nymphomanie säuseln, überzeugten Geffen dermaßen, daß sie der Band ein unabschlagbares Angebot machten: Ein Vertrag über fünf Alben, mit 500.000 Dollar Vorschuß für das erste Album, und bis zu 2.5 Millionen Dollar für das fünfte – der großzügigste Deal, den je eine Newcomerband erhalten hat! Doch wie bei jeder Erfolgsstory klingen auch bei dieser böse Stimmen im Hintergrund. Fans der ersten Stunde wittern ob des Major-Deals ihrer Lieblinge „Verrat“ und tönen: „Veruca Sucks“. Drummer Jim Shapiro nimmt die ganze Aufregung gelassen hin: „Absoluter Quatsch. Unsere Musik wird doch deshalb nicht schlechter.“