Weezer


Manche mögen's laut: Mit einem gehörigen Schuß Selbstbewußtsein schlagen vier Knaben aus Kalifornien die Brücke zwischen Surf Sound und krachendem Gitarrenrock

Ihre Existenz verdanken Weezer keinem geringeren als dem Slacker-Idol Beck Hansen. Gitarrist Brian Bell lernte Ende 1991 den damals noch völlig unbekannten Folk-Barden bei einem Auftritt in einem Club in Los Angeles kennen und bot sich ihm spontan als Gitarrist an. Doch Beck hatte seine Truppe schon komplett und verwies Brian deshalb an drei Typen, die noch auf der Suche nach einem Gitarristen waren. Ihre Namen: Rivers Cuomo, Matt Sharp und Patrick Wilson. Weezer war geboren. Auf den ersten Blick wirken die vier Jungs einfach nett und adrett. Das Foto auf dem Cover ihres Debütalbums ‚Weezer‘ suggeriert: Diese Jungs kann man getrost mit nach Hause nehmen, und Mutti kocht dann mit Freuden ihre Leibspeise. Doch weit gefehlt: Die Viererbande aus Kalifornien besticht zwar mit himmlischen Melodien, bei denen auch Mutti durchaus mitsummen könnte, doch der Wohlklang kommt auf brachialen Gitarrenriffs dahergeritten. Die Shooting-Stars aus Los Angeles haben gerade mal zwei Jahre Bandgeschichte auf dem Buckel, da geben sie sich bei Interviews schon leidlich zickig. Und verlassen nach

ihren Gigs die Bühne am liebsten ohne die obligatorischen Zugaben. Doch wie es scheint, kann sich die Band bei reichlich Vorschußlorbeeren ihre Star-Allüren durchaus leisten: Das Jugendblättchen ‚Jetzt‘ warf Weezer bereits mit der international erfolgreichen Fun-Punk-Combo Green Day in einen Topf, das Modemagazin ‚Elle‘ legte seinen Leserinnen das Erstlingswerk der Band wärmstens ans Herz und in den Underground-Clubs der Bundesrepublik schwören die DJs auf das Potential der Newcomer. Vom Surfer bis zum Schick! — alle mögen Weezer. Was ist dran an der Band? Selbst Brian Bell, der gemeinsam mit dem Sänger und Gitarristen Rivers Cuomo für die Songs der Gruppe verantwortlich zeichnet, wundert sich über die Breitenwirkung seiner Truppe: „Der große Hype in Amerika kam für uns völlig überraschend – wir haben schließlich keinen neuen Stil erfunden. Wir sind einfach vier talentierte Ohrwurm-Fabrikanten, die Songs über ihre kleinen Alltagsfreuden und -wehwehchen schreiben.“ Mit höchst unterschiedlicher Wirkung aufs Publikum. In Europa gelten Weezer als Underground-Act, in ihrer Heimat werden die Jungs von der Szene ignoriert. „Kein Wunder, denn in den USA haben wir keinerlei Street-Credibility. Weezer hat keine große Live-Erfahrung, wir mußten nicht jahrelang durch die Clubs eiern, um Erfolg zu haben. Geffen nahm uns schon kurz nach unserer Gründung im Jahr 1992 unter Vertrag. Unser Debütalbum kam also praktisch aus dem Nichts, und dann noch bei einem Major-Label – da ist man beim US-Underground gleich untendurch.“ Der Top-20-Erfolg in der amerikanischen Hitparade tat ein Übriges. Und in Europa werden Weezer jetzt langsam aus dem Untergrund nach oben geschwemmt. Mit einem zweiten Album will sich die Band dann im Frühjahr 1996 endgültig etablieren. Brian schwärmt: „Seit den Aufnahmen zu ‚Weezer‘ sind wir als Band noch besser und reifer geworden. Auf unserem nächsten Album will ich viel mehr herumexperimentieren und neben Gitarre auch Piano und Saxophon spielen. Wer weiß, vielleicht wird das unser ‚Sgt. Pepper‘-Album.“

Ein Grund mehr, weshalb Brian über die Vergleiche mit den Kollegen von Green Day schmunzeln muß. „Das ehrt uns natürlich, auch wenn es uns reichlich weit hergeholt erscheint. Die Wurzeln von Green Day liegen im Punk, Weezer sieht sich dagegen eher in der Tradition von Pop oder Surf-Sound. Natürlich habe ich als Teenager viel Punkmusik gehört – ich wuchs in einem Kaff in Tennessee auf, und die einzigen Bands, die es dorthin verschlug, waren Punks wie die Dead Kennedys oder die Circle Jerks. Mit dem alten Punk-Motto ‚Lebe schnell und stirb jung‘ habe ich trotzdem nichts am Hut. Für mich gilt eher die Devise: ‚Lebe langsam, aber lang‘.“ Überhaupt, mit musikalischem Schubladendenken kann Brian nichts anfangen. Als Sohn eines College-Radio DJs wuchs er mit dem gesamten Soundspektrum der sechziger, siebziger und achtziger Jahre auf. Zu seinen Vorbildern zählen deshalb so unterschiedliche Gruppen und Interpreten wie Elvis, die Beatles, die Beach Boys, Black Sabbath, Led Zeppelin, Black Flag und Minor Threat. Daß Weezer nicht in die Punk-Ecke gehören, belegt zudem die Wahl von Cars-Mastermind Rick Ocasek als Produzenten des Debütalbums. „Rick war ein riesiger Glücksfall für uns,“ erzählt Brian. „Wir stehen alle auf den Sound der Cars und schickten unser Demo-Tape an Rick Ocasek, natürlich ohne große Hoffnung, daß er Interesse an einer völlig unbekannten Band aufbringen würde. Aber drei Tage später meldete er sich bei uns und bot uns an, die Produktion zu übernehmen.“ Vielleicht fühlte sich Ocasek beim Klang des Demotapes in alte Zeiten zurückversetzt, denn namentlich die Beach Boys scheinen für die Musik auf der ersten Weezer-Scheibe Pate gestanden zu haben: Sämtliche Songs bersten vor Lebenslust und treiben nicht nur knospenden Teenie-Mädchen, sondern auch hartgesottenen Alternative-Freaks die Freudentränen in die Augen. Was auch auf die Live-Auftritte der Band zutrifft. Weezer-Konzerte bestechen durch brachialen Sound versetzt mit einem Schuß Romantik. Dabei hieven Fans von 15 bis 35 gemeinsam Stagedive-Kids über ihre Köpfe und grölen jeden Titel einhellig mit. Neben den Refrains, die sich im Ohr verhaken wie die Klette im selbstgestrickten Wollpulli, erweisen sich auch die „menschelnden“ Texte der Weezer-Songs als Unwiderstehlichkeitsfaktor. Da fordert Sänger Rivers Cuomo schmollend, seine Freundin möge doch gefälligst ihr Make Up wegpacken, wenn er auf Reisen geht, und auf gar keinen Fall soll sie über die Witze anderer )ungs lachen. Da hagelt es schon mal Liebeslieder für Freunde wie „Susanne“, die so tol-Plätzchen backen kann, „Mykel und Karly“, die den US-Fanclub der Band leiten oder „Jamie“, die als Anwältin die Interessen von Weezer vertritt. Liebesbeziehungen scheitern bei Weezer nicht an tiefgründigen Gefühlen, sondern eher an zerissenen Sweatshirts oder einfach an schlechter Laune.