Wenn es ernst Wird, zückt man Leder


Verdrängt, aber nicht vergessen: Das Ur-Symbol des Rebellentums lässt sich zwar aus den Kleiderschränken verbannen, aber im Unterbewusstsein des Rock’n’Roll bleibt es stets lebendig. Die schwarze Motorrad-Lederjacke steht seit 60 Jahren für den aufmüpfigen Ruf nach Veränderung – und bleibt dabei selbst völlig unverändert.

Der New Yorker Jackenhersteller Irving Schott entwickelte 1928 die klassische Motorrad-Lederjacke mit dem asymmetrischen Reißverschluss, dem W-Kragen und der schrägen Brusttasche für die Bedürfnisse des noch jungen Motorradsports, 25 Jahre nach der Gründung von Harley Davidson. Schott nannte sein Modell „Perfecto“. Ihre rebellische Aura bekam die „Perfecto“ 1953, als Marlon Brando sie in „The Wild One“ trug. Hollywood machte vor, wie Ikonen-Bildung funktioniert. Rock’n’Roll-Koryphäe Jesse Hughes von Eagles of Death Metal schwärmt: „Vergiss die Story von ‚The Wild One‘! Die ist albern. Nimm nur das Bild: Marlon Brando in der, Perfecto‘, wie er an seiner Maschine lehnt. Ein perfektes Image, für alle Zeiten, in Stein gemeißelt.“ Die „The Wild One“-Aura der Schott-Jacke schreiben Punks wie die Ramones, der Arbeiterkampfsänger Bruce Springsteen oder die Grunge-Rocker Soundgarden fort.

Aber seit den 2000ern führt die Motorrad-Leder-jacke ein Schattendasein, verdrängt aus der Pop-Ikonografie. Schuld ist Britpop. Britpop tauschte die Lederjacke gegen den Anzug. Daran taten die Jungs von der Insel gut. Nie sahen die Beatles, die Ur-Ahnen des Britpop, unglücklicher in ihre Garderobe reingekloppt aus als in Lederjacken. Die Lektion haben die Britpopper begriffen. Exzess und Verweigerung reimten sich plötzlich auf Jackett. Pete Doherty prägte als windschiefer Schlaks im zu engen Jackett die Silhouette der Epoche. Selbst amerikanische Technicolor-Rocker wie The Killers quetschten sich in Anzüge. Aber wenn es Ernst wird, wenn man Haltung beweisen muss, dann wird ganz schnell wieder das blanke Leder gezückt. Killers-Sänger Brandon Flowers stellt auf dem Cover des „Q“-Magazins klar: „I’m more Rock’n’Roll than anyone you’ll ever meet.“ Und was trägt er zur Bekräftigung? Eine schwarze Motorrad-Lederjacke. Genau das richtige Signal für die nächste Epoche!