Whitney Houston: Whitney Houston live in Deutschland


Coburg, Schloßplatz.

Kinder der Provinz bekommen alles immer ein bisschen später. Auch beim Walkman, bei Techno und Energydrinks war das so. Doch ab und an möchte man auch in der Peripherie der Republik etwas für sich, zumindest zuerst haben. Sonst droht ein Minderwertigkeitskomplex. Das einstige Herzogtum Coburg holte sich vorbeugend einen echten Megastar nach Franken. Und tatsächlich: Whitney Houston ließ am Fuße der Veste ihre Bühnenheizung installieren, ihren Helikopterchauffeur in einer Nebenstraße landen, das ehrwürdige Landestheater zur Garderobe umfunktionieren und schlüpfte dort von Mäntelchen in Mäntelchen. Etwas unangenehm: Frühherbstlich kühl bot sich die Provinz der Prinzessin auf der Erbse, die sich vertraglich eine Bühnentemperatur ab 19 Grad Celcius festschreiben läßt. Oh, all das war sehr aufregend und mehr als nur ein Hauch vom großen Showbiz. Zwar mußte man sich in der 43.000-Seelen-Stadt eingestehen, daß die Houston zwei Tage zuvor im nur etwa halb so großen Vechta ihre Deutschlandtournee gestartet hatte. Doch dort wurde die Drei-Oktaven-Diva an eine „Stoppelfeld“ genannte Spielstätte verbannt, in Coburg durfte die vergoldete Soulpop-Chaunteuse auf dem malerischen Schloßplatz 14.000 Menschen mal so richtig durchentertainen. Baff erstaunt starrte die Menge ins selten stimmungsvolle Lichtkegelspektakel, wurde vom gespenstisch gut geschmierten Gefolge gehörig subgewooft. Wechselseitig mit eleganten R’n’B-Beats beswingt und mit dickem Zuckerguß zugekleistert, gehörte das kollektive Gehör doch vor allem dem göttlichen, ja gospelgängigen Houston-Organ. Die Schnörkel- und tonsprungreich dargebotene, bis zur letzten entrückten Triole enthusiastisch gefeierte Stimmgewalt im Greatest Hits-Programm erfüllte trotz einiger Wackler alle Erwartungen. Der pompöse, so wie Whitney selbst leicht fröstelnde Showperfektionismus wärmte nichtsdestotrotz die offenen Herzen. Da wurde dann auch jede hohle Geste, jedes heitere Von-der-Stange-Lachen Whitneys als Sympathie interpretiert. Und als die für den musikalischen Höhepunkt „My Love Is Your Love“ ihr sechsjähriges Töchterchen Bobby Christine auf die Bühne schleifte, war das der süße Gipfel – mit zwei sehr gegensätzlichen Gründen für eine Gänsehaut.