Woran erkennt man Prog?


Lange Freilich, es gibt auch progressive Dreiminutenstücke. In der „klassischen Zeit war indes die aus mehreren Sätzen bestehende Sinfonie der Anhaltspunkt. In glücklichen Fällen resultierte die Länge nicht aus erhabener Großkotzerei, sondern dem Verzicht auf Selbstbeschränkung. Die Grenze setzte die Länge der LP-Seite, live konnte es länger werden. Doppel-LPs galten als Normalmaß, Singles als konsumistischer Kinderkram. Paradebeispiel: Yes, TALES FROM TOPOGRAPHIC OCEANS h973l: vier Seiten, vier Stücke. Komplexität Der [klassische] Popsong beruht wie das Volkslied zu 99 Prozent auf drei Akkorden und zwei Metren. Als progressiv gilt es, dieses Muster aufzubrechen, „verbotene“ Intervalle Iz. B. Sekunden und Septimen] und „schräge“ Taktmaße Iz. B. 5/4 oder 11/4] einzusetzen. Das kann eckig und anstrengend klingen, aber auch schwingen und erstaunliche Melodien abwerfen. Paradebeispiel: das Yes-Meisterwerk „Awaken“ I1977). Dynamik Die Spannung komplizierterTeile entlädt sich im Prog rock meist noch im selben Stück Inie „Song“!) in gewaltigen, zu Bombast und Pathos neigenden Teilen höchster Simplizität, wo gerne die Soloimprovisation zum Zug kommt. Dasselbe gilt für die Lautstärke: Leise, akustische Phasen wechseln mit Orchesterdonner und infernalischem Lärm. Klassisches Beispiel: „The Musical Box“ (Genesis!. Improvisation So komplex strukturiert viele Prog-Stücke wirken, so regellos offen war meist die Entstehung: Man „jammte“, ließ sich treiben, „hob ab , komponierte höchstens Eckpunkte durch. Viele Bands ließen beim Improvisieren das Band mitlaufen und klebten Berge von Schnipseln zu Stücken zusammen, die sie erst für die Bühne einprobten. Dieses Cut-&-Paste-Verfahren führte auch zur oft bemängelten Sterilität früher Prog-Alben, die Fans bevorzugt zur Live-LP greifen ließ. Eine andere Form der Improvisation ist das Solo, das jedem Musiker Gelegenheit gab, Geschwindigkeitsrekorde zu verbessern und sein Instrumentarium vorzustellen.

Klassische Bezüge An einem Orchesterwerk kam um 1969 kein Prog-Musiker vorbei, als „Klassifizierung“ iMoody Blues] oder eigenständige Schöpfung Uon Lords „Concerto For Group & Orchestra“]. Auch klassische Formen wie Menuett, Madrigal, Ode, Serenade wurden aufgegriffen. Ob die Metamorphose des Rock zur ernsten Form je gelang, ist umstritten; dass die meisten Versuche misstangen, darf als gesichert gelten. Konzept Von Liebe, Schmerz und Sehnsucht singen auch Progrocker, aber die Romanzen spielen sich gerne in metaphorischen Elfenbeintürmen ab. verbinden sich leitmotivisch mittels literarischer, mythisch-philosophischer, religiöser, historischer und Science-Fiction-Elemente zu „Konzeptalben“, deren textlichen Anteil man im vierfachen Wortsinn verstehen konnte. Ein Sonderfall ist die von den Pretty Things Is.F. sorrow,1967] erfundene, von The Who mit TOMMY populär gemachte „Rockoper“. Instrumentarium Die Elektrik prägte den Rock, die Elektronik den Prog – Instrumente wie Polymoog, RMI, Mello- und Birotron boten (laut“.Rocklexikon“] „annähernd 28 Mittionen Klanqmögüchkeilen“, beeindruckten mit Weltraumkrach und machten den Keyboarder in der Tastenburg zum heimlichen Star. Auch was die Hinwendung zu exotischen und historischen Instrumenten anging, lagen die Tastenmänner mit Spinett, Kirchenorgel usw. vorne. Gitarristen griffen zu Laute, Sitar, Doppelhals, Sänger ließen Flöten. Geigen und Congas erschallen, der Einsatz eines „Moog-Schlagzeugs“ ist nurvon Carl Palmer IELP] bekannt. Virtuosität Als Hauptmerkmal progressiver Musikers gilt eine atemberaubende, über jeden Zweifel erhabene Perfektion der Instrumentenbeherrschung. In schlimmen Phasen führte das dazu, dass Soli mit der Stoppuhr bewertet wurden, selbst Bassisten und Schlagzeuger verstiegene Solowerke veröffentlichten, und zu diversen Pubrockund Bluesrevivals. Visualität Die konzeptuellen Ansprüche von Prog-Alben schlagen sich in der Covergestaltung nieder, die diesen auf künstlerische, avantgardistische, phantastische [und oft kitschige] Weise korrespondieren sollte. Zugunsten des Kunstwerks wurde auf früher übliche Aufdrucke (Label etc.] verzichtet, manchmal auch auf Bandnamen und Titel. Klappcover und Abdruck der Texte waren obligatorisch, einige Bands arbeiteten mit berühmten Künstlern (wie H. R. Gigerl oder festen Designern zusammen (etwa Pink Floyd mit Hipgnosis, Yes mit Roger Deant.