Yann Tiersen: Französische Momente


Irgendwie kann einem der Mann fast Leid tun. Yann Tiersen kann schreiben, was er will, für die Welt wird er immer der Komponist bleiben, der die Filmmusik zu „Die wunderbare Welt der Amelie“ geschrieben hat. Sicherlich sind die verspielten, pathetisch-melancholischen Melodien zu Frankreichs Überfilm der letzten Jahre beeindruckend, aberden in Brest geborenen Tiersen nur auf diesen Soundtrack zu reduzieren wäre unfair. Mit seinem neuen Doppel-Album „C’etait Ici“ – eine vorzügliche Live-CD. die an drei Abenden im Februar dieses Jahres in der Pariser „Cite de la Musique“ aufgenommen wurde zeigt er einmal mehr, dass er wie kein Zweiter mit seiner Musik Emotionen vermitteln kann. Was Tiersen so unwiderstehlich macht, sind sein Spiel mit den musikalischen Klischees seiner Heimat, seine Fähigkeit. Klassik und Jazzelemente mit Indierock zu verbinden und das Ergebnis mit Akkordeonklängen zu würzen. So schafft Tiersen die typischen französischen Momente. „Ich kann meine Herkunft nicht verleugnen“, sagt der Mann, der mit Ringelpulli und schelmisch verwuschelten Haaren auch abends noch so aussieht, als sei er gerade dem Bett entstiegen. „Mit französischen Elementen spiele ich nicht, sie sind naturgemäß in mir.“ Die Stimmungen, die er mit seiner Musik erzeugt, halten auch lange nach dem Hören noch an. Tiersens Erklärung: „Gefühl ist mir wichtiger als Stil. Musik kann nicht helfen, die Welt zu ändern, aber ohne Musik wäre die Welt auf jeden Fall unerträglicher.“ Dass die cineastisch geprägten Tiersen-Stücke nach Visualisierung schreien, fand auch „Amelie“-Regisseur Jean-Pierre Jeunet. Eigentlich war für den Filmscore ein anderer Komponist vorgesehen; als Jeunet jedoch im Auto einer Produktionsassistentin ein Tape von Tiersen hörte, warf er seine Pläne um. Tiersen erzählt: „Noch am selben Abend hatte er alle meine Platten gehört“, schmunzelt er, „und am nächsten Tag rief er mich an. Ich komponierte neunzehn Titel in fünfzehn Tagen für ihn. Jeunet hat geweint, so glücklich war er.“ Seitdem ist Tiersen ein echter Star, die Franzosen siedeln ihn seit „Amelie“ zwischen Eric Satie und Mozart an, doch der so Geehrte wiegelt ab:. Amüsant, was die Leute in mir sehen. Ich sage dann immer: „Hallo, aufwachen. Ich bin kein Wunderkind, ich bin nur Yann Tiersen aus Brest.“

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