Tom Waits – Rain Dogs

Oh undankbares Unterfangen, eine neue Waits-Platte zu besprechen! Kenner wissen eh Bescheid, quittieren gequälte Bewertungsversuche mit höhnischem Grinsen, haben ihren Nacht-Barden intus und kennen alle gängigen Attribute, die man diesem Anti-Star stets gern angehängt hat, zur Genüge.

Die andern… ja, denen muß man es einfach immer wieder ans Herz legen: Was für eine Wohltat ein Album wie Rain Dogs inmitten steriler Instant-Music, Syndrums und Fließband-Pop-Produktion ist; daß Tom Waits eine Stimme wie ein rostiger Zauberstab hat, die einen todtraurig machen, aber in den kältesten Winternächten die Schweißperlen auf die Stirn treiben kann; daß seine Songs widerspenstig sind, sich nicht als Hymnen eignen und nicht leicht vereinnehmbar sind.

Wem das zuviel ist, o.k. Immerhin verabreicht Tom Waits seine Kraft in sparsamen Dosen. Die Songs auf Rain Dogs sind drei oder vier Minuten lang. Stets gelingt es ihm, ein Bild, eine Stimmung, eine Story knapp zu umreißen, stets umschifft er alle Klippen, die er sich mit seinem vielschichtigen, für andere schon halsbrecherischen Stilmix selber schafft. Rhythmus-Vielfalt zwischen Captain Beefheart und Kurt Weill, melodisch harmonische Strukturen aus Blues, Jazz, Polka, Country und Rhythm & Blues, all das kann keiner so in die Form zwingen wie er.

Wie stark seine musikalische Persönlichkeit ist, mag andeuten, daß auf seinem neuen Album Leute wie Keith Richards, Chris Spredding, Robert Quine oder der formidable Akkordeon-Virtuose William Schimmel mit von der Partie sind und völlig im Waits-Kontext aufgehen.

Allen (und es sind immer noch zu viele!), die bisher mit Tom Waits nichts am Hut hatten, kann Rain Dogs nur dringend als Einstieg empfohlen werden genauso allerdings Blue Valentine, Closing Time, Heartattack (alle gerade dankenswerterweise wiederveröffentlicht) und alle anderen Alben. Denn Tom Waits hat nie ein schwaches oder gar schlechtes Album gemacht.