The Elwins

And I Thank You

Affairs Of The Heart/Indigo

Die Kanadier nehmen sich die Freiheit, ganz naiv den Sixties-Pop wiederzuentdecken.

Um abzuheben, braucht es manchmal gar nicht viel. Das Klimpern einer akustischen Gitarre, ein sanft gezupfter Bass, eine verwehte Slide-Gitarre, eine schöne Melodie und schon kann’s losgehen: „Up in the sky with no aeroplane“, singt Matthew Sweeney. Dort oben über den Wolken ist die Freiheit vielleicht nicht gleich grenzenlos, aber doch immerhin groß genug, dass sich The Elwins nicht nur lautmalerische Refrainzeilen leisten können, sondern sich auch ansonsten einen Teufel darum scheren, was aktuelle Popmusik sein könnte. Für AND I THANK YOU haben sie stattdessen lieber wunderschöne Popsongs geschrieben und aufgenommen: Zeitlos statt zeitgemäß. Die Band, die 2006 an einer Highschool in Ontario, Kanada gegründet wurde, nahm verteilt über mehrere Jahre auf, mal in Philadelphia, mal in Seattle, flog dann zum Mischen nach Toronto, und veröffentlichte die zehn Songs schließlich in Eigenregie im Februar 2012. Nun endlich erscheint AND I THANK YOU regulär auch in Europa. Was lange währt, ist im Pop allerdings nicht immer gut. Doch statt nach kleingeistiger Studiotüftelei klingt AND I THANK YOU, als wäre es an einem faulen Nachmittag in einem billigen Kellerstudio eben mal rausgekotzt worden. Vom Eröffnungssong „Come On Out“, einer luftigen Hymne übers abendliche Ausgehen, bis zum Albumabschluss „Sittin’ Pretty“, in dem die Kinks einen funky Schmachtfetzen zu spielen scheinen, reiht sich ein wundervoll warmer, freundlich-verträumter, sehnsüchtig-sommerlicher Indie-Hit an den nächsten. Das Klangbild, von der Band entwickelt zusammen mit Bill Moriarty – seit seiner Arbeit für Dr. Dog ein Spezialist für organischen Vintage-Sound –, orientiert sich mit seinen wunderweichen Gitarren, gelegentlichen Bläsern und von Motown geklauten Basslines zwar an den ganz Großen, sodass die Elwins mal wie die Beach Boys klingen, mal wie Big Star und sehr, sehr oft sogar wie die Beatles. Aber sie scheitern nie an den übermächtigen Vorbildern, weil sie sich nicht mit heiligem Ernst an den Unerreichbaren abarbeiten. Stattdessen erheben sie die Naivität zum Programm. Die mag kalkuliert sein, verkommt aber nie zum Zynismus: The Elwins spielen halt so drauflos, suchen sich aus den schönsten Melodien die naheliegendste aus, singen auch bloß über die Liebe, und träumen sich in „I Miss You And I“ zusammen mit der Angebeteten an einen Strand. Aber am Ende klingen sie immer einen Tick zu verschlafen, zu verhuscht und ein bisschen zu sehr nach Müll­eimer, dass die Kopie eine eigene Qualität erhält. „It’s all in a dream / It’s the best place I’ve been“, heißt es noch in dem Song übers Fliegen ohne Flugzeug. Es gibt schlechtere Orte als den über den Wolken, wo The Elwins ihre Songs finden.