Haim

Days Are Gone

Vertigo/Universal

Zwischen Midtempo-AOR und modern inszeniertem Pop: Das Debütalbum der drei Schwestern weiß nicht ganz genau, was es sein will.

Kalifornien an sich ist eine große Behauptung, die ununterbrochen Matrizen ausspuckt, die wiederum der Vervielfältigung des American Dream dienen. An diesem System der permanenten Selbstüberhöhung haben sich viele abgearbeitet, ganz früher etwa The Standells, irgendwann mal Dead Kennedys, zuletzt EMA. Andere haben es vorgezogen, die Traumwelt, in der es niemals regnet (Albert Hammond, 1972, natürlich nicht wörtlich zu nehmen) so fest zu umarmen, bis sie Teil ihrer selbst wurde. Das ist ein völlig valides Vorgehen und schenkte uns einige der besten Popsongs der vergangenen Jahrzehnte. Haim taten das im vergangenen Jahr mit der hervorragenden Single „Forever“.  „You tried to bring yourself up without envolving me“, hieß es da, und im Video malten Jungs mit schweren Motorrädern Kreise auf den Asphalt. Die Musik bewegte sich im Spannungsfeld von Fleetwood Mac und Wilson Phillips, der wohl kalifornischsten aller Popbands. Auf Albumlänge bleiben diese Bezugspunkte bestehen. Die drei Schwestern und der (nicht verwandte) Drummer spielen sich durch Radiopop, der manchmal etwas zu vokalakrobatisch wirkt und eher auf klassisch ausgefuchste Arrangements setzt als auf sofort antizipierbare Hooks. Das ist eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Schnellerhöherweiter-Popzüchtungen aus dem Klanglabor, die dieser Tage den Mainstream dominieren.

Gut funktionieren vor allem die Songs, in denen auch Platz für Pausen ist, in denen sich etwas Luft zwischen die einzelnen Spuren schmuggelt. Der wirklich tolle, von Jessie Ware mitgeschriebene Titeltrack ist so ein Lied, oder auch das bereits bekannte „Don’t Save Me“. Leider gelingt es Haim noch nicht, diese Stärken auf Albumlänge auszuspielen. Vor allem in der zweiten Hälfte von DAYS ARE GONE können sich die Stücke nicht zwischen gepflegten Midtempo-AOR und modern inszeniertem Pop entscheiden, was in „My Song 5“ gipfelt, wo plötzlich ultratiefe Wobble-Bässe auf Schweinerock-Gitarren treffen. Vielleicht eine Produzentenidee, immerhin lud man mit Ariel Rechtshaid den Mann ins Studio, der auch schon Ushers „Climax“ mitschrieb. Womöglich dauert es einfach eine Zeit, bis Haim eine stringente Klangsprache gefunden haben. Wir freuen uns jedenfalls auf das, was noch kommt.