Erfolg

Erfolg

Staatsakt/Rough Trade 27.03.2015

Johannes von Weizsäcker stellt die Parteitagshits der „Erfolgreichen“ vor: Ist das Pop-Konstruktivismus oder Neue Deutsche Welle revisited?

Die Präambel zum schönen Geklimper der Saiten: „Ich nenn’ mich Erfolg, dann hab’ ich immer Erfolg in meinem Leben.“ Die Sache mit dem Erfolg kriegt aber schon bald ein paar seltsame Untertöne: Johannes von Weizsäcker und der selbsternannte „Beste Damenchor der Welt“ singen ihr Heilsprogramm mit der Aufrichtigkeit eines Kirchentagsgesangsvereins („Wirf dich bitte nicht von der Klippe, glaub an Erfolg“) – und tappen damit bei ihrem Indie-Diskurspublikum wahrscheinlich in die Ironiefalle. Aber nein, von Weizsäcker, Sänger, Songwriter, Mitglied der deutsch-englischen Popgruppe The Chap und ehemaliger Musikexpress-Kolumnist, ist ja Indie und erfahren genug, zu bedenken, was die anderen denken, was er denkt. Jetzt sind wir bei den Wirklichkeitskonstruktionen.

So ist das mit dem Projekt Erfolg (guter Alleinunterhalter und womöglich tatsächlich gerade bester deutscher Chor), es hat die Wirklichkeit von allen Seiten im Blick, es nimmt sie grinsend aufs Korn (es erzählt vom Investmentbanker, der einen TV-Kochwettbewerb gewinnt, Internet-Karriere macht, und – quelle surprise! – in die Bedeutungslosigkeit emigriert). So gehen diese Geschichten. Jeder Song auf dem Album ein Parteitagshit der „Erfolgreichen“.

Die Hooklines ziehen stolz über diese Platte, die Beats wollen in puncto Entschiedenheit nicht hintenanstehen, vom Chor habe ich bereits geschwärmt. Hört das „Seelenfestival“, ein knackiges Stück Wave-Pop mit Hammond-Orgel-Gefiepe und der unschlagbaren Zeile „Wir haben Erfolg und unsere Seele ist wie Koblenz“. Oder „Guter Mann“, eine Art Erinnerungsschreiben an Andreas Dorau und die Marinas (dem wahrscheinlich besten deutschen Chor aller Zeiten, zu überprüfen auf Evergreens wie „Fred vom Jupiter“) und die Zeit, als die Neue Deutsche Welle noch frei von restaurativen Rock-Elementen war.

ERFOLG wäre eine noch tollere Platte geworden, wenn Sänger und Chor die Geschichte mit dem Erfolg am Ende nicht dermaßen überstrapazierten und ab und an etwas arg in den Gefilden der Gefühligkeit frohlockten („Sing uns ein Lied Klaviermann, sing uns ein Lied heut Nacht“, „Hallo, du sagst hallo, aber meinst du das auch wirklich?“). Erfolg hat auch einen anderen Namen: Udo Jürgens. Einen weißen Bademantel für Johannes von Weizsäcker jetzt bitte.

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