5 Fragen an Kurt Wagner


Der Lambchop-Kopf darüber, dass er lange Zeit nicht als Lambchop- Kopf gelten wollte, über Mut zum Pop und den Mangel an Nettigkeit.

1 Woran liegt es bloß, dass Lambchop in Europa noch immer viel erfolgreicher sind als zu Hause in den USA?

Es wäre sehr schön, wenn wir das herausfinden könnten! Vielleicht hat es damit zu tun, dass unsere Musik so anders klingt als das, was die Menschen hier so täglich erleben. Lambchop bilden den Süden der USA ab, einen wahnsinnig poetischen Landstrich, der eigenwillig, spirituell und schrecklich gegensätzlich ist. In Amerika etwas Alltägliches. Im Süden Europas interessiert man sich auch nicht sonderlich für uns, da kennt man das Gefühl auch. Mit Calexico ist es ähnlich. Auch der Südwesten ist ein besonderes Land mit Geschichten und Geheimnissen. Beide Bands stellen ja auch keine Klischees her; wenn man nach Tennessee oder nach Arizona fährt, dann ist es dort wirklich so, wie es die Musik beschreibt. Das ist für Amerikaner vielleicht einfach zu naheliegend.

2 Das neue Album klingt organisch wie nie, was die Gewichtung von Musik und Texten angeht es sind sogar ein paar richtige Popsongs dabei. Was hat sich bei euch verändert?

Ja, das ist wahrscheinlich tatsächlich unsere poppigste Platte, auch wenn ich mich erst daran gewöhnen muss (lacht). Ich finde es mit der Zeit immer interessanter, wenn Musik und Text miteinander verschmelzen. In der Vergangenheit lag der Fokus stark auf den Texten, aber ich möchte das nicht mehr so separat sehen. Deshalb haben wir die Texte diesmal auch nicht abgedruckt.

3 Sie haben für die neue Platte erstmals die Produktion nicht selbst übernommen, sondern aus der Hand gegeben. Muss man als Band seinen Produzenten mögen?

Darüber hatte ich schon viele Diskussionen mit Musikerkollegen. Ich höre häufig, dass eine Band ihren Produzenten nicht leiden kann oder die Zusammenarbeit mit ihm unangenehm war. Das wäre undenkbar für mich. Das macht ja keinen Spaß und trägt sicher nicht zum Erfolg der Platte bei. Dann geht es nur um Selbstgefälligkeit und nicht um Kunst. Ich habe Roger Moutenot ausgesucht, weil wir seit zehn Jahren mit ihm zusammenarbeiten und ich ihm total vertraue. Außerdem hat er eins meiner Lieblingsalben, Painful von Yo La Tengo, produziert. Ich wusste also, da kann nichts schiefgehen.

4 Sie haben Lambchop bislang gern als ein offenes System gesehen. Sie wollten auch nicht der ausgewiesene Chef dieser Band sein. Das hat sich seit der letzten Platte geändert – warum?

Ich hasse es, wenn die Aufmerksamkeit auf mir liegt. Das passt nicht zu meinem Charakter. Ich bin ja eher schüchtern. Das liegt daran, dass ich aus Nashville komme, wo das Ego regiert. Eine Gemeinde voller selbstsüchtiger Musiker, Songschreiber und Musikbusiness-Leute, der ich nie angehören wollte. Schon als Kind wollte ich deshalb lieber malen als Musik machen. Aber da es wohl so gekommen ist, dass ich der Kopf von Lambchop bin, habe ich beschlossen, nicht mehr gegen den Fluss der Dinge anzugehen wegen irgendeiner Theorie, die ich mir mal zurechtgedacht habe.

5 Ihre Spezialität sind Songtexte aus bizarren Perspektiven. Was hat es mit dem Song „Of Raymond“ auf sich?

Der Song ist aus der Sicht einer Jungfrau-Maria-Statue geschrieben, die in meinem Garten steht und unseren Hundefriedhof bewacht. Er handelt davon, warum Leute so eine Statue überhaupt besitzen. Da geht es natürlich um Liebe. Aber ich will das Wort „Liebe“ nicht verwenden, also habe ich Raymond dafür genommen. Aus dieser schrecklichen Sitcom „Alle lieben Raymond“, die jeder in Amerika toll findet. Außer mir natürlich. Alle sind total gerührt von der Liebenswürdigkeit der Figuren in dieser Sendung, aber im wahren Leben ist kaum einer nett zum anderen. Die Menschen können schon ganz schön seltsam sein.

www.lambchop.net

ALBUMKRITIK ME 10/08