Interview

Musiker*innen und der ausgefallene Festivalsommer: 10 Fragen an ÄTNA


Inéz Schaefer von ÄTNA über die Zukunft: „Es wird sich, davon bin ich überzeugt, so entwickeln, dass man als Künstler auch weiterhin überleben kann, weil: Was soll die ganze Welt ohne Kunst? Das funktioniert nicht. Deshalb werden auch wir irgendwelche Ideen finden.“

Inéz Schaefer und Demian Mappenstein lernten sich auf der Musikhochschule Dresden kennen und gründeten 2017 das Duo ÄTNA. Mit indietronischem Synthie-Pop und eindrucksvollen Musikvideos haben sich die zwei mittlerweile international einen Namen gemacht. Dass ÄTNA im Februar diesen Jahres noch mit ihrem Debütalbum MADE BY DESIRE auf Tour gehen konnte, war Glück, denn kurz darauf wurden auch sie vom Coronavirus ausgebremst. 

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Der Festivalsommer fällt aus. Welche Folgen haben die Konzert-Absagen für euch als Band und für eure Crew konkret?

Demian: Die finanziellen Einbrücke sind signifikant, weil Festivals auch eine andere finanzielle Größe sind. Die liegen dann zwar etwas zerstreuter, nicht wie bei der Tour sechs Shows am Stück. Zudem finanzieren die Festivals die Touren ja auch mit. Die Technik-Crew ist auf jeden Fall hart betroffen. Es gibt Leute in der Crew, die neben uns auch noch andere Großveranstaltungen betreuen und die stehen fast vor dem Nichts. Wir haben zum Glück auch noch etwas Erspartes zusammengesammelt, da dreht sich nicht gleich nächste Woche der Geldhahn zu, aber in der technischen Abteilung sieht es ganz schön düster aus.

Inéz: Wenn ich nicht noch andere Jobs hätte, wärs trotzdem richtig beschissen.

Wo arbeitest du?

Inéz: Ich kuratiere nebenbei noch ein Festival mit. Das ist im Oktober und das Ding ist: Es muss dieses Jahr irgendwie stattfinden wegen der ganzen Gelder, was zum einen Glück für mich ist, weil ich dadurch eine feste Einkommensquelle habe, aber es wird halt total umstrukturiert. Und dann bin ich noch Dozentin an der Hochschule in Dresden für Gesang. Da läuft es auch weiter, ich unterrichte über Zoom und gebe meinen Studenten Aufgaben. Die sollen zum Beispiel Sprachmemos über WhatsApp schicken und so werden dann Gesangübungen hin- und hergeschickt.

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Habt ihr schon darüber nachgedacht, wie ihr möglicherweise die finanziellen Verluste ersetzen könnt?

Demian: Das ist schwer einzuschätzen. Ich glaube, dass es gut sein kann, dass das Geld weg ist, weil nicht gesagt ist, dass nächstes Jahr die gleichen Dinge wieder funktionieren. Alles verschiebt sich ja quasi nach hinten. Auf der anderen Seite habe ich jetzt schon von Festivals und Veranstaltern gehört, die im Herbst theoretisch noch im terminlichen, grünen Bereich liegen, dass ausländische Acts denen aber schon abgesagt haben und diese deshalb nun mehr regionale Acts suchen. Es kann also sein, dass sich dort Löcher für uns auftun, die vorher gar nicht geplant waren.

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Versucht ihr, anderswo finanzielle Unterstützung zu bekommen? Sei es durch Regierungsprogramme, Sponsoren, Fans oder Crowdfunding-Kampagnen?

Demian: Bislang fallen wir bei den meisten Sachen irgendwie durch. Wir hoffen jetzt noch auf Bundesförderung, weil die sich nicht so wirklich Gedanken über die Leute gemacht haben, die nur eine Dienstleistung anbieten, wie Künstler, die nur sich selbst zu transportieren haben. Da hoffen wir wirklich inständig, dass sich da noch was tut, sonst fallen wir da komplett herunter, obwohl alle Politiker am Anfang geschrien haben: „Wir lassen euch nicht im Stich!“

Befürchtet ihr, dass die Existenz eurer Band in Gefahr ist?

Demian: Ich würde die Band auch weitermachen, wenn sie nicht die Haupteinnahmequelle ist. Dann würde ich wie Inéz zum Beispiel unterrichten oder vielleicht einen ganz anderen Job annehmen. Also irgendetwas, was die Existenz sichert, sollte es nun wirklich solange andauern, dass es finanziell nicht mehr funktioniert. Die Band ist für mich so ein starkes Ausdrucksmittel und künstlerisches Sprachrohr, dass ich sie so oder so nicht beenden würde. Es kann halt sein, dass es zu einer Seitenbetätigung, ein Nicht-Zum-Brot-Erwerb, wird. Das wäre aber wirklich das Schlimmste und ein echt krasser Einschnitt.

Bringt diese Zeit euch als Band näher zusammen?

Inéz: Ja. Man hat mehr Zeit zum Proben und Schreiben. Am Anfang kam ich von der Tour und dachte mir: „Ja, geil jetzt haben wir Zeit, jetzt schreiben wir einfach die nächsten Songs, weil wir haben voll die Energie von den Konzerten und jetzt gehts direkt ans nächste Album!“ Dann musste ich mich aber erst mal komplett neu sortieren. Ich war voll motiviert, aber dann kam ich in so eine voll krasse Lethargie und hab erst mal gar nichts gemacht. Jetzt proben wir aber mittlerweile mehr als sonst.

Demian: Jetzt kann man viele Songideen von der Schippe auf wachsen lassen und viel später darüber entscheiden, ob es das wird, wo wir ans Verfeinern gehen.

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Kann man jetzt erwarten, dass sich das nächste Album komplett anders anhört?

Inéz: Ich weiß ja nicht, wie es sich angehört hätte. Wahrscheinlich wird sich die Musik jetzt wirklich weiter entwickeln als sonst. Ich habe ja jetzt auch mehr Zeit Synthesizer auszuchecken.

Welche Erwartungen habt ihr an mögliche Veranstaltungsverbote über den Sommer hinaus? Einige Experten sagen sogar, dass es die nächsten Jahre so sein könnte.

Inéz: Wenn das so ist, dann entwickelt sich alles weiter. Die Menschen sind ja Gott sei dank sehr erfinderisch und kreativ. Es wird sich, davon bin ich überzeugt, so entwickeln, dass man als Künstler auch weiterhin überleben kann, weil: Was soll die ganze Welt ohne Kunst? Das funktioniert nicht. Deshalb werden auch wir irgendwelche Ideen finden.

Gibt es eine bestimmte Show, auf die ihr euch besonders gefreut habt?

Demian: Oh, da gibt es einige, aber ich hatte mich voll auf das Watt En Schlick Festival gefreut. Da waren wir letztes Jahr schon. Das ist so geil. Diese unterschiedlichen Orte und das Booking, was die machen, wie das alles gelegen ist da. Wir haben dort auf einer kleineren Bühne gespielt und hätten dieses Jahr auf einer größeren gespielt. Das trifft mich wirklich stark. Die Fusion wäre auch ganz toll gewesen. Aber bestenfalls laufen die einem ja nicht weg.

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