Dear Reader

We Followed Every Sound

City Slang/Universal

Keine Angst vor einem großen Namen: Dear Reader spielen ihre Songs mit dem Filmorchester Babelsberg – und geraten nicht mal ansatzweise in den Verdacht, arty-farty zu sein.

Manchmal braucht es einen großen Abstand, um bestimmten Dingen wieder nah zu sein. So wie bei Cherilyn Mac­Neil. Die Südafrikanerin, die seit Jahren in Berlin lebt und sich dort pudelwohl fühlt, macht als Dear Reader was aus den Tausenden Kilometern, die zwischen ihrem Wohnort und ihrer Heimat liegen. Auf RIVONIA, ihrem im Frühjahr erschienenen Album, bringt Dear Reader Folkpop mit Politik zusammen; die Songs drehen sich um das, was in Südafrika in den letzten Jahrzehnten passiert ist. Der Verrat, der Nelson Mandela ins Gefängnis brachte, wird thematisiert, und in „Man Of The Book“ erzählt MacNeil von ihrem Großvater und dessen Leben. Mit diesem Song geht auch WE FOLLOWED EVERY SOUND los. Überwiegend aus den Liedern von RIVONIA speist sich das Livealbum, und die Arrangements des Studioalbums, die ohnehin schon breit und breiter wurden und sich hübsch verästelten, werden auf WE FOLLOWED EVERY SOUND noch einmal künstlerisch verfeinert, ohne auch nur ansatzweise arty-farty zu werden.
Mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg hat Dear Reader das Album eingespielt, und sowohl ihre Band als auch MacNeil herself werden auf selbstverständliche Weise eins mit dem Orches­ter. Ihre Musiker haben keinen Bammel vor den studierten Musikern, und MacNeils Stimme behauptet sich inmitten all der Streicher, Bläser und diversen Flötentöne. Wenn Populärmusik im Orchestergraben landet, hat sie’s meistens hinter sich und ist demnächst – file under „Nokia Night Of The Proms“ – mausetot. Bei Dear Reader ist das anders. Wir hören „Cruelty On Beauty On“ und „Back From The Dead“ – und sind dann dermaßen beschwingt, dass wir uns trauen würden, MacNeil zu fragen, ob sie mit uns ein paar Biere trinken geht.