Caroline Wahl & Taylor Swift: Girlbosses oder uncoole Show Girls?
Julia Friese erklärt in ihrer neuen Kolumne, warum Massengeschmack nicht gleich minderwertig ist.
Drei Beobachtungen:
1. women in (perimeno) pop
Im Mai 2024 erschien mit „Auf allen vieren“ ein Roman der Künstlerin Miranda July, der nachträglich betrachtet als Agenda-Setting-Sensation in die Annalen eingehen muss. July erzählte die Trennung in den Vierzigern vom Mann und Kindsvater, sowie die Lust in der sogenannten Perimenopause – also der Übergangsphase in die Wechelsjahre. Das Wissen um diese „Perimeno“-Phase war bis dorthin nischig. Aber seit jenem Mai und July steigen im Google-Trend-Chart die Suchanfragen. Perimeno ist Pop. Die Schriftstellerin Stefanie de Velasco begann ihre „FAZ“-Kolumne „Midlife-Crisis“ – in der sie unter anderem über Perimeno-Symptome schreibt. Im „Stern“ fragt eine 40-jährige Kolumnistin „Ist das schon die Perimenopause – oder redet mir Social Media das nur ein?“ Denn Perimeno gehört aktuell zur einer der beliebtesten Online-Selbst-Diagnosen. Und so fragte Sophie Ellis-Bextor im Mai 2025 auf Instagram: „Why pause, when you can pop?“ um dann ihr Album PERIMENO POP anzukündigen.
2. ein glitzernd beigefarbener pudding
Derweil gaben sich zwei Frauen die Klickraten-Klinke in die Hand: Caroline Wahl und Taylor Swift. Beiden Künstlerinnen ist einige gemein: Zunächst, dass sie sehr erfolgreich, mainstream und geschäftstüchtig sind. In dem Sinne, dass sie trotz Millionenvorschuss auf der einen, sowie Milliarden auf der anderen Seite nicht zurückhaltend mit Veröffentlichungen sind: Seit 2023 hat Wahl drei Romane veröffentlicht, ihr erster kam in diesem Jahr in die Kinos.
Swift hat seit 2020 fünf Alben veröffentlicht, in diversen – wahrscheinlich zu vielen – Varianten, dazwischen war sie auch noch auf Welttournee. But: „Why pause, when you can pop?“ Wahl schreibt Genre-Romane (Liebe, Alltag und Pudding) und Swift macht Pop (Liebe, Gucci, High-School-Fehde). Beide beherrschen ihre Kunst, ohne Avantgardistinnen zu sein. Beide evozieren eine Art glitzerndes, beigefarbener Pudding-Wohlgefühl für das Vorstadtmädchen in einem.
Beide sind uncool. Wobei die ältere Swift (*1989) sich der latenten Kitschigkeit ihres Werks bewusst ist, sie nun sogar Kritik aushebelnd besingt (Actually Romantic). Die jüngere Caro Wahl (*1995) sagte in einen Podcast, sie wolle sowohl „die beste“ als auch „die bekannteste deutsche Autorin“ sein. Als sei vor allem erstere eine erreichbare wie messbare Kategorie. Sie vertritt dieses öffentlichkeiterregende Ansinnen im weiteren Verlauf stolz als neoliberalen Feminismus-Zug, und ignoriert dabei, dass das Unangenehme dieser Aussage die schmerzfreie Offenbarung einer gewissen Horizontenge ist, die auch mit einer – sagen wir – mutmaßlich eher kurzen Leseliste einhergeht. Sicher, McDonald’s hat auch immer wieder versucht, sich als gesund zu framen. Aber maßlose Fehlverortung versteht man eher als geschicktes Marketing, wenn sie von Firmen kommen, während Künstler:innen immer noch mehr als Personen gelesen werden.
3. you got the money? you better pay some respect
So oder so geht großer Erfolg mit Aufladungen von außen einher. Und einem nicht verstehenden Ereifern in der Frage: Wie kann das sein, dass Wahl und Swift so erfolgreich sind? Das Diskursfeuer brennt gerade auch deswegen, weil in ihrem Kontext immer wieder misogyner Brandbeschleuniger zündet: So nicht, Mädchen! „You girl-bossed too close to the sun.“
Taylor Swift eignet sich diese Candace-Owens-Kritik in CANCELLED! selbstverteidigend an. Nur weil Swifts und Wahls Werke Mädchen-konnotiert sind, sind sie nicht als minderwertig zu begreifen. Der innere Bildungsmann muss an dieser Stelle definitiv erwürgt werden. Dann bringt dieser nun eben würgend hervor, DAFF EF ABER DOCH GENUG KÜFNTLERINNEN GIBT, DEREN FAFFEN WEIT ENFFERNT IF VON FPARKLY BEIGE PUDDING! Immer diese Diskursverengung durch Massengeschmack!
Wahl, die derzeit bekannteste zeitgenössische deutsche Autorin? Fair! Aber die BESTE? Lisa Kränzler und Enis Maci und Cemile Sahin und Judith Schalansky und Heike Geißler und Uljana Wolf und Maren Kames und (Meinte sie eigentlich die beste DEUTSCHE – oder doch eher DEUTSCHSPRACHIGE?) Ann Cotten und Ariane Koch und Dorothee Elmiger und Marlene Streeruwitz und Helena Adler und ELFRIEDE JELINEK … But, the show must go on …
Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 12/2025.



