Jetzt geht’s ab! Linus Volkmanns Hitcontainer des Jahres
50 großartige Stücke eines aufwühlenden Jahres. Eine kommentierte Hitliste – handverlesen von Linus Volkmann.
Ich möchte schon einmal vorauseilend um Verzeihung bitten, aber diese Kolumne wird XXL. Das weiß ich bereits beim Schreiben, denn ich habe das Prinzip der kommentierten Jahrescharts nämlich schon letztes Jahr aufgestellt. Was ein Aufwand!
Ungeachtet dessen habe ich hier nun erneut eine Liste von 50 geilen Songs aus dem auslaufenden Jahr zusammengebastelt. Weil es mir wichtig ist und ja, richtig gelesen „Songs“. Greise Musikjournos schwören ja eigentlich zu dieser Zeit des Jahres auf die eigene Album-Exposition. Aber mal unter uns … soll man sich immer zwanzig ganze Platten durchhören, nur um rauszufinden, wie wenig einen der Musikgeschmack von diesem oder jenem zerfurchten Premium-Autoren (nicht gegendert) dann doch interessiert? Eben!
Ich liste hier einfach 50 Hits mit Links. Fertig. Könnt ihr selbst checken, ob euch das ein oder andere nicht auch taugt. Und auch wenn 50 eine große Zahl ist, fehlen hier sicher diverse scheißgute Stücke. Das liegt dann daran, dass ich sie verpasst, es nicht geblickt oder – am schlimmsten – sie beim Zusammenstellen vergessen habe. Seht es mir nach. Und jetzt viel Glück, Leute!
PS: Ach so, ich starte das wie einen Countdown wegen Spannung und Drama. Aber eigentlich ist das Ranking – zumindest für mich – nicht so wichtig. Ich will diese Songs hier alle feiern. Spätestens wenn ich das nächste Mal an der Stange tanze …
50. Dyse / Heaven Shall Burn – „Schweineherbst“
Gleich mal mit einem geschmeidigen Feel-Good-Song einsteigen. Ich weiß zwar nicht, wie man die zwei Scheiß Pünktchen über das y bei Dyse macht, aber ich weiß, was dieses Duo (Gitarre / Schlagzeug) für eine Energie heraufbeschwören kann, dazu noch der Höllenglocken-Metalcore von Heaven Shall Burn und ein Cover von einem der besten Slime-Songs überhaupt. Der Text dazu ist einfach nur ein bedrückendes Foreshadowing auf die kommenden Jahre:
„Alle schau‘n sich hilflos um / und wissen nicht /
Warum und in welchen Löchern die Ratten lagen / die jetzt hier marschieren und losschlagen“
49. Skuff Barby – „Get Over It“
Zu Pandemiezeiten habe ich Skuff Barby kennengelernt und verfolge seitdem, wie sie sich immer weiter ins Game reinschraubt. Eine Artist zwischen Münster und Äquatorialguinea, bei der sich allein der Flow doch deutlich vom Standard-Rap auf deutsch unterscheidet. Ihre Botschaft: Algorithmen downraten unseren Selbstwert, ihre Antwort: Durchdrehen im Moshpit, denn da kommt die unangenehme KI einfach nicht rein. Spürt euch, trefft euch, fangt wieder an zu brennen.
48. The Hidden Cameras – „Undertow“
Ihr tanzbarer Queer-Wave mit Kanada-Swag war immer gleichzeitig distanziert wie umarmend. Warm, kalt, heiß. Dieses Jahr endlich wieder was Neues – und es klingt immer noch ganz zauberhaft. Wenn auch dieses Comeback wohl am Weltgeist (siehe die Aufrufzahlen) vorbeischlitterte. Egal, Hauptsache geil.
47. DJ Koze / Soap & Skin – „Vamos A La Playa“
Wer schräge Coverversionen liebt, wird bei diesem Team-Up verwöhnt. Das haben Righeira, die italienischen Originalinterpreten, garantiert nicht kommen sehen. Gehauchte Nebelvoice und Space-Vibes. Sand in die Schuhe, Honig auf die Wunden.
46. Kerker – „DNA“
Kerker, das ist der eine Junge von der Solinger Band Lyschko. Lyschko kennt ihr? Edgy Post-Wave für Klimakleber – positiv gemeint. Kerker verbindet nun noch mehr Genres, die eigentlich nicht zusammenpassen. Karambolage. Bevor hier die EU einschreitet, lieber mal reinhören. Autotune, Big Beat, Rap, Trap. Wer sich bei dieser Musik nicht zumindest ritzen will, sollte wirklich mal seine heile Welt ausmisten.
45. Zwakkelmann – „Interessiert doch kein Schwein“
Nur Liebe für den ehemaligen Sänger der Hamminkelner Fun-Punk-Band Schließmuskel (seinerzeit mit BRAVO-Fame!). Hier kommt Selbstironie bis zur Selbstaufgabe – aber auch beeindruckend viel Unermüdlichkeit. Allein wie er (sieht man in dem Video hier leider nicht so gut) bei jedem Griffwechsel an der Gitarre aufs Brett gucken muss. „Gib nicht auf“, möchte ich ihm zurufen, „Du warst nie besser als heute – und das ist doch echt was.“ In dem CLIP übrigens Cameo-Aufritte von Alex Schwers (u.a. Slime) und Vicky Stachowiak (u.a. Udo Jürgens).
44. Taha – „F*** Forever“
Endlich Ruhe: Gibt man „Fuck“ in die Google-Suchleiste ein, hält die sonst so aufgedrehte, aufdringliche Autovervollständigung sofort beleidigt die Fresse. Sehr schön, danke, Taha. Danke auch für diesen Banger, der zart anfängt und dann bis zum Ende alles die Klippen runterschiebt. Musik für Schwierigkeiten, Musik in Schwierigkeiten.
43. Lola Young – „d£aler“
Neue Platte von Lola Young in 2025 – und gleich schon wieder abgetaucht. Auszeit wegen #alleszuviel. Kann man nachfühlen, genau wie ihre Musik. Die ist zum Glück ja noch da, während die Britin eine Pause macht.
42. Martin Lück / Bernd Begemann & Die Befreiung – „Pogo ganz allein“ (live)
Ostwestfalen represent. Zwei weisungsbefugte und exzentrische Frontmänner treffen sich für dieses schöne Stück. Martin Lück spielt gemeinhin bei Brausepöter und wer Bernd Begemann nicht zuordnen kann, dem kann ich ohnehin nicht mehr helfen. Das Stück hier ist ein spontanes Happening gewesen. Ein kleiner Moment OWL-Punkrock-History hinter beschlagenem Glas.
41. Infinite Coles – „SweetFaceKillah“
Das Vermächtnis Schwarzer Musik ganz gegenwärtig aufgeschäumt mit queerer Clubkultur. Lebendiger, heißer wird’s nicht mehr.
40. Blond – „SB-Kassen Lover“
Ganz so sehr wie beiden Vorgänger hat mich das Blond-Album aus diesem Jahr nicht schicken können. Was aber nicht bedeutet, es gäbe hier keine Knaller zu finden. Zum Beispiel dieser Soundtrack zum Ladendiebstahl hier. Konzerne wollen dich zum Selbstkassieren verpflichten, um Personal einzusparen? Make them pay!
39. Grateful Cat – „Hey, Food Delivery Guy“
Wie schön und freundlich kann Indiepop sein? Grateful Cat so: Ja! Musik wie ein warmes Bällebad, aus dem man nie mehr aufstehen möchte.
38. Sunflowers Of Death – „Nicht unser Ding“
Allein schon bei dieser piepsigen Melodica zu Anfang raste ich aus. Hat was von Antitainment (R.i.P.), bis der Gesang und der stumpfe Traktorbeat den Song dann wieder auf den klebrigen Boden des Dorf-JUZes nagelt. Vielleicht nicht total konsenfähig dieser Tipp hier (als wären das die anderen, haha), aber wer sowas mag, läuft hier voll gegen das Brett. Erhältlich auf einer Split-10inch, die neben Sunflowers Of Death auch noch Kid Knorke x Betty Bluescreen beinhaltet.
37. 6euroneunzig – „No Rizz, No Fun“
„Ich hab Dings getankt / und geh dumm wie ein Otto“. JAOK, andere Popjournos erzählen euch was über Neojazz-Exkurse bei Radiohead, aber wo sind diese vornehmen Dudes denn bitte, wenn ihr beim Konzert von 6euroneunzig jemand braucht, der noch Teile klären kann? Ich sage es euch, sie sitzen in einem Corbusier-Sessel vor ihrer Vinylwand in ihrer grabbeligen Altbauwohnbauwohnung. Wir schulden ihnen nichts – und hören lieber das hier.
36. Pauls Jets – „Ich hab Angst so ohne Dich“
„Jeden Tag dieselbe Scheiße / Du musst in die U-Bahn rein“ … Pauls Jets, das sind niedlich nerdige Miniaturen mit einem Blick aufs existentielle Drama.
35. Die Heiterkeit – „Wir erholten uns vom Fieber“
Stella Sommers Stimme ist immer etwas Besonderes. Hier eingebettet in „ein Lied, das um sich schlägt“. Ach, erholen von all dem Fieber … ich wünsche es mir so!
34. Joyce Manor – „Well, Whatever It Was“
Ach so, der Song, den ich highlighten wollte, ist noch gar nicht draußen? Er heißt „I Know Where Marc Chen Lives“ und ist der Opener des am 30.Januar erscheinenden Albums I USED TO GO TO THIS BAR. Besagtes Stück ist Full-On-Skate-Punk, super schnell, super rough. Bis man das hören kann, dann hier für die Warteschleife ein anderer Song des Epitaph-Acts. Etwas gefälliger, etwas mehr wie eine Blink-182-Ballade, aber man versteht, worum es mir hier geht.
33. Schreng Schreng und Lala – „Für immer jung my ass“
Forever young, mein Arsch … „und bis auf dieses Internet läuft es doch ganz gut“ – das wahnhafte wie treffsichere Medium Jörkk Mechenbier zusammen mit Lasse Paulus wieder im Weisheitenflow. Könnte ich mir in Endlosschleife anhören, weil es so eindringlich, so zersetzend ist. Säurebad in schön.
32. Debby Friday – „All I Wanna Do Is Party“
An diesem cheesy Neo-Disco-Brummer möchte man doch einfach immer weiter nagen wie ein tollwütiges Eichhörnchen.
31. Rummelsnuff & Asbach – „Milo Barus“
Eine Ode an den stärksten Mann der Welt, der scheinbar die Pferd lieber getragen hat, statt auf ihnen zu reiten. Sehr sympathisch. Genau wie das muskulöse Lebenswerk von Rummelsnuff. Wenn ich irgendwann mal 50 Kilo Muskelmasse aufbaue, dann nur aus Respekt vor ihm und seiner Crew. Super-Song allein schon mit den Synthie-Bläsern zu Beginn und diesem irren Storytelling des Textes.
30. Annette & Die Benjamins – „Wer liebt dich in zehn Jahren“
Gibt es den Song etwa immer noch nicht im Streaming oder in dem Kramladen von YouTube? Grundgütiger! Packe dieses vibrierende Stück Post-Punk trotzdem hier mit rein, weil es einfach zu gut ist. Wer das – zu seinen eigenen Gunsten – überprüfen will, muss sich eben einfach die Vinyl-Single von Annette feat. Drangsal, Charlotte Brandi, Julian Knoth (Die Nerven) und Thomas Götz (Beatsteaks) besorgen. Jetzt stellt euch nicht so an! Erhältlich über Tomatenplatten.
29. Perfume Genius – „It’s A Mirror“
Ich liebe das Theatralische im Pop. Ich liebe das Drama. Dafür möchte ich mich auch nicht schämen müssen. Lieber Perfume Genius aus Seattle hören.
28. Bierbabes – „Tarot“
Und noch mal Bekenntniseifer: Ich liebe Tarot – kein Scheiss. Gucke mir die Karten gern an und stelle mir vor, was mir die eine wohl sagen könnte, die ich gerade gezogen habe. Umso schöner, dass die Bierbabes auf dieses Thema rangezoomt haben.
Natürlich dreht es sich bei ihnen am Ende eher um Rausch als um Erleuchtung – aber warum sollte es den beiden auch besser ergehen als einem selbst? „Dann gehen wir auf Sendung / wie im Astro-TV“. Diesen Song fühle ich 3000!
27. Arxx – „WIP“
Hatte ich schon letztes Jahr mit dem tollen Hunde-Song („Good Boy“) in meinen Charts. Diesmal soundästhetisch und bildlich mehr Richtung Queer-Squaredance. Ein Duo, eine Performance, bei dem Autokraten, Despoten und Schwurbler in ihre hässlichen Fäuste beißen müssen. Gönnt man ihnen.
26. Angelika Express – „Feelings“
Angelika Express sind die Franz Ferdinand aus dem Rheinland. Dazu noch so emsig, so übertrieben produktiv und immer auf den Punkt. „Feelings“ gibt’s nicht aus YouTube oder Spotify, sondern nur auf bandcamp beziehungsweise Vinyl. Glaubt man sofort!
25. Riot Spears – „Excuse Me Radiohead“
Emo-Trap vor Indiekulisse. Das muss man auch erstmal schaffen – und aushalten. Erinnert mich von der Stimmung an die zerrissene Band Jonas aus Bad Bentheim, die einst von Jan Müller (Tocotronic) entdeckt wurde und an den verstorbenen Li‘l Peep. Vielleicht ist es bei Riot Spears alles ganz anders gemeint, aber so kommt‘s bei mir an. Schaurig schön.
24. Marlon Williams – „Aua Atu Ra“
Okay, ich kann ja nicht immer nur queeren Saufrap featuren, liebe Musikexpress-Mäuse. Dieser neuseeländische Singer-Songwriter mit seiner Elvis-Anmutung zum Beispiel möge uns mal in ganz andere Welten führen.
23. Kapa Tult – „Es bringt mir nichts“
Auf die neue Platte von Kapa Tult hat man lang gewartet. Im Frühjahr 2026 erfüllt sich die Verheißung aus Leipzig endlich. Und wie geil es werden wird, weiß man spätestens seit dieser Vorab-Single. NDW-Pling-Plong verschränkt mit entfesselter Bratgitarre und ausgefeiltem Songwriting.
22. Durry – „Idk I Just Work Here“
Ein Hit über die Dienstleistungshölle. Durry aus Minnesota pflegen auch auf der neuen Platte trockenen Humor. Schlecht bezahlt, müde – aber unbreakable. Konzerne nennen dich „Partner“, um dir keine Krankenversicherung zahlen zu müssen. Die sich dadurch immer weiter aufschaufelnde Verachtung gegen den Kapitalismus findet sich dann in Zeilen wieder wie: „You can burn the store down / as far as I’m concerned“. Eine Arbeitszeitbetrugshymne – passive-aggressive und mit Style.
21. Kraftklub – „Wenn ich tot bin, fang ich wieder an“
Alles muss man an den Nagel hängen, um nicht draufzugehen … wer kennt es nicht?! Aber wenn ich tot bin, fange ich zumindest gleich wieder mit Rauchen an. Auf dieses Angebot in Up-Beat-Chemnitz-Prosa lässt man sich gern ein. Vorglüh-Song dahingehend, wie es sein wird, im Jenseits endlich wieder richtig am Rad zu drehen.
20. Die Sterne – „Open Water“
Soviele Jahre, soviele Dekaden Die Sterne sind trotzdem längst noch nicht auserzählt. Da können andere Acts lange einpacken. In „Open Water“ sprechsingt Dyan Valdés über Übergriffserfahrung, daraus entsteht (mal wieder) ein ganz anderer Sterne-Song. Sehr düster, sehr intim.
19. King Princess – „RIP KP“
Ich liebe das Reel, in dem sie so sympathisch auslegt, warum Fahrrad fahren gay ist. Genauso wie dieses Stück. Sehnsüchtig, tief – aber genauso auch kinky und grell.
18. Vandalismus – „PRINZESSIN (prod. KCVS)“
Düsseldorfs finest – und das sage ich nicht nur, um Koljah und Campino abzufucken. Vandalismus kommt hier wieder so intensiv, diese Art zu singen, zu texten fasst dich sofort an. Kann vielleicht nicht jede:r aushalten, aber gerade deshalb ist es immer wieder was Besonderes.
17.Acht Eimer Hühnerherzen – „Jetzt nicht“
Eines der besten Dinge, das in diesem zutiefst unangenehmen Jahrzehnt so far passiert ist, ist, dass das freche Trio Acht Eimer Hühnerherzen zum Star wurde. Und wie ist das passiert? Mit ihrem uniquen Nylonsaiten-Songwriter-Punk und mit Recht!
16. Shura – „World’s Worst Girlfriends“
Es braucht allgemein mehr Acts, die aussehen und sich anziehen wie Brienne von Tarth aus „Games Of Thrones“. Dazu noch all diese schönen Eighties-Pop-Vibes hier.
15. Frau Lehmann – „Dlf Kultur will dass wir brennen“
„Falls irgendjemand fragt / Ich stecke in der Warteschleife von der Künstlersozialkasse“, ein kleiner, hellwacher Hit über die unmöglichen Verhältnisse für Künstler:innen. Über eine Pop-Ökonomie, in der viel möglich ist, aber nicht mehr vorgesehen, dass irgendjemand außer Konzernen überhaupt noch Geld mit Musik verdient.
14. Mahler/Fondermann – „Schattenvogel“
Kann sich noch wer ganz an den Anfang dieser Liste erinnern? Genau, es ging los mit einer Coverversion des Slime-Klassikers „Schweineherbst“. Der wurde einst geschrieben von einem der besten deutschen Texter im Punk und weit darüber hinaus: Stephan Mahler. Der macht jetzt wieder Musik – und was für intensive.
13. Yung FSK18 – „BALLERINA Prod. Admiral Klatsch“
„Kopf ist plemplem, aber Outfit ist Bling Bling“. Dieses Jahr bin ich Yung FSK18 erstmalig „in echt“ begegnet – und was soll ich sagen? Herzlich, authentisch und sie hat gesprochen in demselben Slang, in dem sie auch singt. Einfach eine Erscheinung. Einfach auch mehr Hits als viele andere.
12. Liser – „Hübsche Mädchen“
Liser aus Köln habe ich 2020 noch in ihrer Inkarnation als Battlerapperin kennengelernt, aber diese Zeit ist long gone. Heute ist sie eine der interessantesten Artists auf der Schwelle zwischen Rap, Pop und Dancefloor. „Hübsche Mädchen“ ist ein berührender Song, der tief blicken lässt. In die Gefühlswelt von Liser aber auch in Abgründe der Typenwelten.
11. H.i.T. – „THPS2“
Eines der Stücke, bei dem ich sofort instinktiv in die nächste Bar reinlaufen will. Endlich wieder Feuerwerk, endlich wieder alle Lampen an. Eine Hommage an Tony Hawk und das gute Leben, als man noch vor der Konsole statt im Real Life rumhing. Perfekt eingefangen. Warum diese Band aus Bremen immer noch nicht so groß ist wie Mexiko City verstehe ich bis heute nicht.
10. Endless Wellness – „Die guten Jahre“
Wie viel Verzweiflung man in Musik pressen kann, beweisen auf diesem Stück Endless Wellness aus Wien. Das hier ist für mich gleichermaßen Trigger wie Therapie. Love it.
09. Pogendroblem – „Great Resignation“
Mit dem neuen Album haben die beliebten Kölner Indiepunks den Vorhang noch mal so richtig weit aufgezogen. Eine vielseitige Platte mit Herz und Hass. Der Titelsong liefert eine zeitgemäße, rastlose Entsprechung von Tocotronics „Kapitulation“ – einfach alles hinwerfen und trotzdem weitermachen.
08. BSK – „Keine Kappas“
Schockverliebt in diesen freundlich sinistren Deutschpunk, der für die eigene Szene manche Intervention bereit hält. Man hätte jeden Song von der Platte KEINE BEWEGUNG in diese Liste packen können – all hits, no miss. Entschieden habe ich mich für „Keine Kappas“, damit hole ich euch alle ab. Ihr kommt doch garantiert auch nicht mehr hinterher mit eurem ganzen Kram. Rest findet sich in dem großen Musikexpress-Interview mit der Band.
07. Christin Nichols x Gwen Dolyn – „Bittere Pillen“
Das ist DAS Team-Up für uns junge Leute. Unsere Eltern hatten David Bowie und Mick Jagger, wir haben jetzt das. Endlich mal eine schöner Impuls der Gegenwart, geht doch!
06. Jenny Thiele – „Nehmt mich mit“
Disclaimer: Ich habe für Jenny Thiele zu ihrer aktuellen Platte die Infos für ihre Singles geschrieben. Als ältere Person dachte ich, naja, wie viele Singles sollen da schon ausgekoppelt werden? Zwei, drei … höchstens. Es wurden dann sieben oder acht. Jeden anderen Act, über den ich soviel geschrieben hätte, hätte ich danach gehasst! Bei Jenny Thiele und ihrem bittersüßen Electropop war das Gegenteil der Fall. Schwöre! Und mit diesem Stück kommt der Beweis. Zu gut – und dabei eingängig wie deine Mutter.
05. Paul Sies – „Mein schöner Hals“
Jenny Thiele war mit diesem verhaltensauffälligen Pianisten und Schausteller auf Tour. Dessen popmusikalische Versiertheit und die krassen Texte schütteln die Schneekugel noch mal ganz anders. In manchen Songs erkenne ich mich fast zu sehr wieder – und eigentlich liebe ich Identifikation. Hier schmerzt sie mitunter, aber auch das ist am Ende des Tages ja dann doch irgendwie aufregend.
04. Grim104 – „Nie so cool (prod. Admiral Klatsch)“
Das dringliche Stück mit seinen Haunted-House-Beats hätte ganz blank schon gereicht, um mich zu faszinieren – allerdings besitzt es noch eine weitere Ebene. Im Clip wird dokumentiert, wie Grim104 den Song bei einem Dorffest in seiner Heimat irgendwo in Ostfriesland performt. Was eine Grenzerfahrung.
03. Fritzi Ernst / DJ Hundefriedhof – „Tiere gucken fahrn“
Ich habe nur einmal psychedelische Pilze genommen und es war scheiße. Dennoch habe ich einen Soft Spot für dieses Projekt zwischen Trip, Kleintierzoo und Druffi-Gags. Fritzi Ernst trifft auf die Clique (lies: Sekte) des extremfrisierten HGich.t Gurus DJ Hundefriedhof – und alle gehen in den Wald. Mich holt dieser Ausflug sowas von ab.
02. Panic Shack – „Girlband Starter Pack“
Zuletzt in Deutschland live unterwegs gewesen, überall ausverkauft, überall Endorphin. Panic Shack sind vermutlich der Punkrockhype der Stunde, der gerade erst richtig losgeht. Bei dieser Band aus Cardiff in Wales passt gerade einfach alles.
01. Tocotronic – „Bye, bye Berlin“
Die Verheißung von der freien, wilden Mauerstadt Berlin hat sich im neuen Jahrtausend in Eigenbedarfsklagen, Rollkofferballet und Szenefrust aufgelöst. Bevor ich dorthin ziehe, schaue ich mir lieber was in Castrop-Rauxel, Kaufbeuren oder auf dem Mond an. Ich weiß nicht, ob Tocotronic wirklich so angepisst sind wie ich, aber ihr „Bye, bye Berlin“ ist auf jeden Fall eine wunderbar schmiegige Hymne für den kleinen und großen Haupstadthass.
Kann man natürlich auch hören, wenn man dort wohnt. Ihr Berliners habt doch Humor!
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte im Überblick.







