AC/DC


Die Generation X ist reif für den Elektroschock aus den 7oern. Und Kult-Produzent Rick Rubin bringt das Hardrock-Kraftwerk wieder ans Netz.

Angus Young läßt sich so leicht nicht verunsichern. Der schmächtige Gitarrist, der seit über 20 Jahren die Fahne des altehrwürdigen Hardrocks hochhält, beruft sich auf die Beatles als Zeugen, um die immerwährende Anziehungskraft des Rock’n’Roll zu erklären: „Ich erzähle dir eine Geschichte“, krächzt er und kratzt sich die streichholzdürren Ärmchen: „Eine der größten Bands der Welt begann ihre Karriere damit, in kleinen Clubs Rock’n’Roll-Musik zu spielen. Später spielten sie Pop-Musik, Balladen, bis hin zu diesem symphonischen Zeugs. Aber am Schluß landeten sie wieder beim Rock’n’Roll. Wir haben einfach den ganzen Kram dazwischen weggelassen.“

In diesen Tagen erscheint mit ‚Ballbreaker‘ das 15. Studio-Album von AC/DC, und wieder ist der Name Programm: Mit dem kleinen Einmaleins der Gitarren-Riffs bleiben sie der verläßlichste Gleichstromgenerator im Wechsel der Trend-Gezeiten. „Wir haben unseren Stil nie verändert. Wir spielen noch immer den gleichen Scheiß wie am Anfang.“ Angus sagt Sätze wie diese mit jenem entspannten Ton, der sich automatisch einstellt, wenn man weltweit mehr als 100 Millionen Platten verkauft hat. Die Musik der Gebrüder Young – der ältere, Malcolm, ist nach gelungenem Alk-Entzug inzwischen ebenso wieder im Boot wie der Ur-Drummer Phil Rudd – widerstand den Wogen sämtlicher Trends von Punk bis Rap und klingt praktisch so, wie sie auf dem Album-Debüt ‚High Voltage‘ im Februar 1975 definiert wurde. Der Zahn der Zeit nagt allenfalls an Youngs Haarmenge. Umso würdevoller versucht er die wenigen noch verbliebenen grauen Strähnen im Video zur aktuellen Single ‚Hard As A Rock‘ zu schütteln.

Ansonsten zeigt er sich voller Tatendrang. Denn: AC/DC haben geschafft, was man selbst den Stones kaum zugetraut hätte – einen fließenden Generationswechsel im Publikum. Während andere Graumänner von Rod Stewart bis Joe Cocker ihre Live-Lautstärke längst auf Familien-Level heruntergefahren haben, reißen AC/DC die Regler nach wie vor voll auf. „Das Publikum ist mit uns älter geworden. Seit einiger Zeit bringen gar die Väter ihre Kinder zu unseren Shows mit. Die sind zwölf oder dreizehn Jahre alt und reagieren wie ihre Eltern, als sie jung waren: Sie stehen direkt vor der Bühne und drängen die Älteren nach hinten.“

Es gibt noch einen Grund, warum sich in diesem Jahr verdammt viele Rock-Anfänger von den Haudrauf-Riffs der Australier anfixen lassen werden: Grunge, der Stromgitarren-Ohrenöffner einer ganzen Generation, ist tot, der Wille zum Lärm jedoch bleibt. In Rick Rubin haben sie exakt den Produzenten gefunden, der ihre simplen Kracher in ein Sound-Mäntelchen der 90er Jahre hüllt, das in diese Dekade ebenso paßt wie jener Bryan Adams-mäßige Stadion-Sound, den Bruce Fairbairn auf dem letzten Album ‚The Razors Edge‘ (1990) als Hommage an die 80er arrangierte. Rick Rubin ist derzeit ultrahip. Angus meint: „Unser neues Album ist ein Querschnitt aller AC/DC-Platten, mehr nicht. Wir spielen keinen Rap und erst recht keinen Grunge. Wir spielen Rock’n’Roll nur eben ein bißchen lauter als Chuck Berry. Und wenn du nicht gleich beim ersten Takt hörst, daß es wirklich AC/DC ist, haben wir versagt.“

So spricht einer, der genau weiß, daß zum Beispiel seinem Kollegen Keith Richards in einem Interview auf die Frage, welche Band er denn überhaupt möge, nur ein einsilbiges „Well, I like AC/DC“ über die Lippen kommt. Young jedenfalls kann mit all den jungen wilden Bands nichts anfangen: „Früher schraubte ich oft an meinem Verstärker herum. Und wenn dabei ein schlechter Sound herauskam, nannten wir ihn ‚grungy‘. Das ist der Grunge für uns bis heute geblieben – fürchterlich beschissene Musik.“

Und weil AC/DC nicht die weichgekochte Norm der „political correctness“ erfüllen, werden sie auch von Beavis und Butthead ein klares „cool“ ernten. Doch Schlagwörter gehen Angus längst rechts am Ärmel vorbei: „Wir lassen uns hinter keine Trendlokomotive spannen. Wenn alle meinen, Balladen seien gerade hip, oder Rap oder Grunge – was interessiert uns das? Man hat unseren harten Rock anfangs boykottiert, wir wurden nicht im Radio oder Fernsehen gespielt, die Medien haßten uns. Aber wenn wir auf der Bühne standen, galt nur das Votum der Kids.“