Adler Ohne Flügel


Zehn Jahre flog er mit Partner Don Henley ganz oben. Dann kam’s xum Krach – und die Eagles stursten ab. Acht erfolglose Jahre später schwingt Frey wieder die Flügel – doch die Vergangenheit holt Ihn Immer wieder ein. Helmut Werb besuchte Ihn in l.a.

U nser Freund mußte nicht unter die Frecway-Brücken ziehen. Das Los blieb ihm erspart dank cleverer Investitionen seiner einmal eingespielten Millionen. Doch der Abstieg vom Siegertreppchen ist in Hollywood steiler, je länger man ganz oben stand. Glenn Frey wurde zum Ex: Ex-Eagle. Ex-TV-Star. Ex-Lover. 1980 stand sein Name auf jeder „A-List Party“, 1981 kamen nicht mal B-Leute zu seinen. Die Freunde waren alle noch da, nur brauchen durfte er sie nicht mehr. Glenn Frey könnte ein Lied davon singen, tut’s aber nicht. Auch reden will er nicht darüber. Wenn er mit dir spricht — bewußt simpel gekleidet in Jeans und T-Shirt — wird man das Gefühl nicht los, daß er alles schon mal vor dem Spiegel einstudiert hat. Die Reden, die er hält, anstatt auf Fragen zu antworten, erinnern an die Wahlkampf-Rhetorik amerikanischer TV-Präsidenten.

Erstaunliches aber geschieht, wenn sich Sport-Fan Frey mal dazu entschließt, seinen Verteidigerposten zu verlassen, um über sich und seine neue Musik zu reden. Dann wacht er auf und kann auch mal befreit über sich lachen. Nun hat er ja endlich, nach zwei mittelmäßigen Versuchen, eine schöne Platte produziert. NO FUN ALOUD floppte auf Elektra, der alten Eagles-Company; ALLNIGHTER wurde von der neuen Plattenfirma MCA schnell veraoldet. sonst aber Sense.

..Ich weiß, es hört sich an wie ein schlechtes Klischee, aber auf SOUL SEARCHIN‘ habe ich mich endlich selber gefunden. Ich entdeckte, daß ich Freiheiten habe, die ich vorher einfach nicht ausnützte. Heute kann ich Hornsätze arrangieren, ohne gleich von den anderen gefragt zu werden, wie wir das auf die Bühne bringen.“

Die Eagles. Immer wieder kehrt er darauf zurück — wie’s damals war, wie’s heute ist.“.Ich bin nicht bitter“. sagt er, „es war eine tolle Zeit. Aber THE LONG RUN zum Beispiel war eine Tortur, weil wir krampßaß versuchten, HOTEL CALIFORNIA zu übertreffen. Es gab Nächte, da graute mir davor, Don und die anderen zu sehen.“

was er in den letzten vier Jahren gemacht hat — damit rückt er nicht so recht raus — Gesangsstunden, Pumping Iron. Golf spielen, writing songs — blablabla. Wer zwischen den Zeilen liest, merkt, wie sehr es ihn wurmte, es nicht auf Anhieb geschallt zu haben, nicht mehr in der vordersten Reihe der Rockstars zu stehen. „Ich messe meinen Erfolg nicht mehr an der Zahl der verkauften Planen.“ Selbstverteidigung nennt man so was wohl.

Auch der Ausflug ins TV-Land war ein Flop. Sein „Miami-Vice‘-Auftritt war zwar toll. Doch dann muß er mitansehen, wie jeder Hinz und Kunzausder Rockszene zum pastellfarbenen Mitmachen eingeladen wird. Oh. das Ego! Vom Fernsehen hat er die Nase voll. „Noch nie hatte ich so Heimweh nach Musikern wie damals.“

Die Zeit hat Spuren hinterlassen. Jahrelang knallte sich Frey den Kopf voll mit Alkohol und was sonst noch auf dem Marmortisch lag. Mehr oder weniger allein, in seinem Elfenbeinturm in den teuersten Hollywood Hills. Ganz oben, wo die Top-Stars laut ungeschriebenem Entertainment-Gesetz zu wohnen haben. Und nun. Spitze der Ironie, verbaut ihm ein alter Hollywood-Geldsack gar die „Million-Dollar“-Aussicht seiner atemberaubenden Villa am Mulholland Drive.

Da wird man klein. Und alt. Auch wenn die kalifornische Gesundheits-Hysterie nicht spurlos an Frey vorbeigegangen ist. „Ich lebe viel gesünder. Ich trinke auch nicht mehr so viel“, stellt er beim dritten Glas Rotwein fest.

.Alter — nennt man das so?

..Tja. Alter“, stimmt er nachdenklich zu. Er spricht wie er singt — melodiös, ans Weinerliche grenzend, aber mit einem Mal sehr bestimmt. „Auf der anderen Seite heißt das aber auch, daß du besser wirst.“ Pause.“.Wenn du lernst.“ Pause. „Du mußt mit Menschen leben und arbeiten, denen du vertraust. Du mußt Leute finden, vor denen du nackt dastehen kannst, ohne dich zu schämen.“

Er sitzt auf dem Klavierstuhl und lehnt den Rücken, Weinglas in der Hand, an den Flügel im blitzblank polierten Wohnzimmer. .. Wenn du so jemanden findest, würde ich vorschlagen: write songs or get married.“ Er dreht sich auf dem Stuhl um und klimpert „Desperado“. Ein hoffnungsloser Romantiker, der gern wieder mit seiner Ex-Freundin ins Bett möchte. Seine Liebeslieder wie „Can’t Put Out This Fire“ oder „True Love“ könnten über die Zeit mit den Eagles geschrieben sein. „Aber die Eagles gibt’s nicht mehr, wird’s auch nie mehr ^eben.“

Los wird er sie beim besten Willen nicht, diese Vergangenheit. Selbst Jahre nach dem Crash der Eagles geht sein Unterbewußtsein mit ihm durch und er nennt seine Arbeit „Solo-Karriere“. Eine achtjährige Schwangerschaft wird halt zwangsläufig eine schwere Geburt. Ein hübsches Babv aber ist’s allemal.