Andreas Dorau


DIE DISCOKUGEL DREHT SICH LANGSAM IM kuschelroten Scheinwerferlicht.Großartige HighTech-Instrumente gibt es nicht. Auch keine bombastischen Lichteffekte. Dafür viele originelle Requisiten und Ideen. Andreas Dorau steht wieder auf der Bühne, der kleine Blonde mit dem großen Faible für schöne Melodien. Mit dem Programm „70 Minuten Musik ungeklärter Herkunft“ (Titel von Doraus aktueller CD) tourt er durch die Clubs und singt von Mädchen, die sich verlieben und Telefonen, die nicht stillstehen wollen. Wer schon beim Anhören von Doraus Platten das Gefühl hat, sich auf eine Zeitreise in die glamourösen Siebziger zu begeben, der wird live die passenden Bilder dazu bekommen. Ob Gummipuppe oder Bärenkostüm – Dorau ist der geborene Entertainer, einer der seine Lieder immer mit einem ironischen Augenzwinkern präsentiert.

Mit „Neu“, seinem vorletzten Album, gab Andreas Dorau für die folgenden Jahre seine künstlerische Richtung vor: weg vom altbackenen NDW-Recken, hin zum ideenreichen Soundtüfler und experimentierfreudigen Unterhalter. Es sind klassische Disco-Elemente, die Doraus Musik heute prägen. Auch der Verweis auf wohlbekannte House-Traditionen ist unüberhörbar. Doch ist Dorau mit seiner bunten Stil-Melange-zu den genannten Bestandteilen gesellen sich noch Versatzstücke aus vielen weiteren Genres – zeitgerechter denn je. Seine einfache aber wirkungsvolle Devise lautet: aus alt mach neu. Weil der letzte Schliff allerdings immer aus seiner eigenen Feder stammt und Dorau nie nur pures Song-Recycling betreibt, haftet ihm das Prädikat „Retro-Musiker“ zu Unrecht an. „Ich möchte auf keinen Fall Revivalmusik machen. Vielmehr versuche ich, meine Musik Genre-frei zu halten“, antwortet Dorau auf die Versuche, seine Songs der Einfachheit halber in Schubladen wie „Disco“, „Dancefloor“oder“Trash“zu stecken. So verzichtet das Repertoire von „70 Minuten Musik ungeklärter Herkunft“ auf bloße Remake-Attitüden. Doraus Arbeit zeichnet sich vielmehr dadurch aus, daß er kleine Parts aus verschiedenen Liedern sampelt, neu aufbereitet und als Teile eines neuen musikalischen Patchworks wiederauferstehen läßt. Um Ideen zu sammeln, hatte Dorau sich für sein aktuelles Werk in die Kellerräume seiner Plattenfirma zurückgezogen. Dort standen ihm tausende – meist recht betagte-Tonträger zur Verfügung, die er mit viel Ausdauer und Entdeckergeist auf für ihn brauchbare Song-Elemente hin durchforstete. Kein Wunder also, daß bei Doraus Konzerten manches an längst vergangene Tage erinnert. Auf der Bühne haben altbekannte Gegenstände ihren Platz, die durch den Popkünstler Dorau in einen neuen, zeitgemäßen Kontext gestellt werden. Das Ergebnis erinnert mal an den Geist der Pet Shop Boys, mal an den Charme von Mike Flowers und mal an die Leichtigkeit des Easy-Listening-Urvaters Burt Bacharach.