Angus Young: Pubertär aus Prinzip


Auf der Bühne spielt er den Berserker, privat hat er mit dem Rock 'n' Roll-Lifestyle nichts an der Schülermütze. Anläßlich der neuen LP sprach ME/Sounds-Mitarbeiter Henning Richter mit dem ewig pubertierenden Angus Young.

Im Londoner Büro ihres Managers sitzt Gitarrist Angus Young, raucht Kette, gießt becherweise Kaffee in sich hinein und gibt sich alle erdenkliche Mühe, gute Miene zum ungeliebten Medienspiel zu machen.

Mögen die Kritiker auch noch so wettern: Die australischen Boogie-Zwerge setzen auf Kontinuität, in jeder Hinsicht. Und so sind die Neuigkeiten schnell abgehakt. „Wir haben einen neuen Schlagzeuger, Chris Slade (Ex-Firm, Ex-Manfred Mann). Mein Bruder Malcolm, der einige Zeit ausserzen mußte, um sein Alkoholproblem auszukurieren, steht wieder an der Rhythmusgitarre“, berichtet Angus knapp. Auf der letzten Tour wurde Malcolm durch den Neffen Steve Young, mit dem Material seiner Onkel bestens bekannt, vertreten. Das dreckige Dutzend neuer Songs, betitelt THE RAZOR’S EDGE, ist diesmal von Bruce Fairbairn produziert worden, den die Band wegen seiner Kenntnis der Musik der 60er und 70er Jahre schätzt. Es ist eine Rock-LP in bester AC/DC-Tradition geworden: Keyboards? Nein Danke! Auch für das dreizehnte Album gilt: Sie intonieren nicht, AC/DC detonieren ihre Songs.

An den musikalischen Vorlieben des Gitarristen hat sich über all die Jahre nichts geändert. „Ich mag den Rock ´n´ Roll der 50er und 60er Jahre und steh immer noch auf Chuck Bery. Mein größtes Idol ist Little Richard. Es gibt nicht viele Sänger auf der Welt, die zwei Stunden so schreien können wie er. “ Womit auch seine Vorliebe für Alarmsirenen wie den verstorbenen Bon Scott und Brian Johnson erklärt wäre. Vom letzteren, der nun schon seit zehn Jahren als der „neue Sänger“ der Band gilt. geht gar die Sage, er könne kraft seiner Staeheldraht-Stimmbander sogar einen fahrenden D-Zug zum Halten bringen.

Und was hält Angus von den momentan weltweit erfolgreichen Aussie-Stars?

„Midnight Oil sind mir zu poppig. Kylie und Jason sind heute in der ganzen Welt erfolgreich. Das ist gut für die Australier, denn so sind sie die beiden los.“

Ist er selbst aber nicht auch ein Teil des Showbusiness?

„Nein, lange Jahre war ich sogar dagegen, Videos zu machen. Ich fand, wir sind zu häßlich. Ich gehe auf die Bühne und spiele zwei Stunden lang. Wenn ich runter komme, beginnt mein persönliches Leben – und das lebe ich einfach und nicht im Stil von Rockstars.“

Gäbe es einen Preis für den bescheidensten Star der Welt, er würde ihn nicht annehmen. Es wäre ihm einfach zuviel Wirbel um seine Person. Er hat sicherlich ein paar Dollar verdient, doch Angus Young sieht man seine Millionen nicht an. Der Hänfling steckt in einer Jeansjacke, die ihm zwei Nummern zu groß ist, seine Blue Jeans sind alt und verwaschen, an den Füßen trägt er billigste Leinenturnschuhe. Mit seiner Frau, einer Niederländerin, lebt er in einem unscheinbaren Häuschen im holländischen Venlo nahe der deutschen Grenze. „Ich hatte nie große Wünsche, das hat sich nicht geändert. Als ich das erste Mal Geld hatte, kaufte ich mir zwei Dinge, die ich nie zuvor besessen hatte: einen Fernseher und einen Plattenspieler. Beides hab ich immer noch. Geld war mir noch nie wichtig. Laß die Buchhalter damit jonglieren. Ich bin kein Big Spender, der ein großes Auto und eine Villa braucht; ich ziehe kleine, einfache Sachen vor.“

Sich zu Themen wie Politik oder Religion zu äußern, wie es von Popstars heutzutage einfach erwartet wird, lehnt der 31jährige ab: „Meine Bildung ist nicht gerade übermäßig groß, ich verließ die Schule mit 15, deshalb fühle ich mich nicht qualifiziert, übers Ozonloch oder so was zu sprechen. Mein Vater war ein einfacher Arbeiter. Er hat uns niemals religiös beeinflußt, weil er sah, daß Religionen bloß zu Haß und Gewalt führen. Und da ich Politiker grundsätzlich nicht akzeptiere, habe ich noch kein einziges Mal in meinem Leben gewählt.“

Umgekehrt aber haben sich die Politiker sehr wohl für AC/DC interessiert. In den USA verlangen sie sogar, daß ihre Platten mit Warnsticker („explicit lyrics“) versehen werden. „Sie haben uns mit ihren Schikanen ziemlich viel Ärger gemacht. Dennoch habe ich niemals daran gedacht zurückzuschlagen; diese Genugtuung wollte ich ihnen einfach nicht geben. Es gibt wichtigere Dinge als eine Rock n‘ Roll-Band, um die sie sich kümmern sollten.“

Angus Young ist ein Verweigerer, der sich sträubt, erwachsen zu werden. Er hört und spielt den Rotznasen-Rock seiner Jugend. Wie damals fühlt er sich am wohlsten in seiner Schüler-Uniform, die ihm zugleich als Schutzpanzer gegen die Welt der Großen dient. Daß die Erwachsenen immer noch verstört auf ihn reagieren, erfüllt ihn mit diebischer Freude. Deren Politik, Religion und Geschäftemachereien können ihm gestohlen bleiben. Seine Blechtrommel ist die rote Gibson SG. Angus Young ist der Oskar Matzerath des Rock ´n´Roll.