BLUES BAND


„Eigentlich wollten wir bloß vier Gigs machen…“. Also sprach die Blues Band und nahm ihren Vorsatz wohl selbst nicht ganz ernst. Denn entweder tritt eine Band bloß zweimal auf, weil sie — ausgebuht und ausgepfiffen — flugs die Gitarren wieder in die Ecke stellt oder aber aus der geplanten Mucke wird der bekannte Elefant: Die Band findet Anklang, Erfolg gar und findet sich mehr oder weniger unversehens im Sog von Plattenaufnahmen, Konzerten, Interviews und Fototerminen wieder. Das nennt man dann mild Showbusiness. Das mit den vier Gigs stimmt“, meint Schlagwerker Hughie Flint, „die Blues Band-Chose sollte wirklich nur just for fun stattfinden… ’n paar alte Freunde, die für alte Freunde ein paarmal in ollen Clubs auftreten“. Na, will uns der Mann veräppeln und jetzt erzählen, der Erfolg (der natürlich über Nacht und daher völlig unerwartet kam) habe die Band total überrascht? „Nein, ich will doch keine Märchen erzählen“, versichert Hughie, „einerseits haben wir natürlich nicht erwartet, ernstlich wieder dick einsteigen zu können. Aber wir alle sind erfahren genug zu wissen, daß hier im Geschäft nur weniges nicht möglich ist.“ Grinst und fährt fort: „Deshalb haben wir nach den ersten Auftritten auch reagiert und unser OFFICI ALBLUES BAND BOOTLEG ALBUM, bevor wir dann bei Arista unterschrieben, schon im Eigenvertrieb angeboten. Rund 3000 Stück haben wir so abgesetzt.“ Also ist die Band auf alles vorbereitet? „Ja und nein, geplant ist für den Sommer ein zweites Album, geplant ist auch eine US-Tour, geplant sind sämtliche Aktivitäten, die sich daraus ergeben: Interviews, Fotos, was weiß ich! Allerdings: Wenn’s übermorgen zu Ende geht, sind wir darauf vorbereitet und arbeiten halt wieder in unseren bisherigen Jobs.“ Diese bisherigen Berufe passen nur teilweise ins Rockstar-Klischee: Gewiß, Sänger Paul Jones arbeitete als Theaterschauspieler und kennt Shakespeare plus Kollegen; Gitarrist Tom McGuiness produzierte hie und da, vorwiegend Mainstream-Pop, und unser Freund Hughie trommelte für eine waschecht-irische Band namens Chanter. Doch die beiden übrigen, Dave Kelly (g voc) und Gary Fletcher (bg). fuhren in der letzten Zeit meist Taxi, nicht als Fahrgast, versteht sich. Musikalisch lief da zwar auch gelegentlich etwas, beispielsweise Fletcher’s Duett mit einem gewissen Steve Gurl („Fletcher Gurl“), doch zumindest Kelly und Fletcher haben letzthin ihre Bankkonten nicht mit dem anreichern können, was bei Eintrittskarten und schwarzen PVC-Scheiben abfällt. Ist’s Routine oder ähnliches, was die Blues Band relativ abgeklärt und kühl in die Zukunft (und die Gegenwart) blicken läßt? Hughie Flint macht freundliche Miene zum unbequemen Interview-Spiel: Wir unterhalten uns zwischen Garderobenständern in einem muffigen Gang der Essener Grugahalle, während im Saal gerade Joan Armatrading (Aaaahh! Anm. d. Verf.) ihren Rockpalast-Nacht-Auftritt absolviert. „Routine? Das klingt unter Umständen allzu negativ. Sagen wir so: Wir sind alle reifer, klüger geworden, haben schon eine Menge im Rockgeschäft kennengelernt…“ Wie wär’s mit einer Art ‚Distanz‘ im positiven Sinne? „Ja“, grient Hughie, „so etwa könnte man sagen.“ In der Tat haben sie mancherlei kennengelernt. Ganz früher zupfte Dave Kelly bei John Dummer’s Blues Band („Nine By Nine“) und half Howlin‘ Wolf und Lohn Lee Hooker bei Europa-Tourneen. Gary Fletcher lavierte zwischen Country & Western und Soul, um dann in einer Combo mit dem bemerkenswerten Namen Jimmy Riddle & The Pisspots zu agieren. Weit bekannter sind selbstverständlich die Vergangenheiten der restlichen drei: Hughie Flint wirbelte bei John Mayall zu dessen Eric Clapton-Zeiten, spielte mit Alexis Korner, Georgie Farne,Alan Price und der Bonzo Dog Doo Dah Band (!), um dann 1971 mit Tom McGuiness das anfangs hitträchtige Quintett McGuiness Flint („When I’m Dead And Gone“) zu gründen. Tom McGuiness hatte wie auch Paul Jones, Eric Clapton und Ur-Stone Brian Jones bei den Roosters begonnen, sich dann zu Manfred Mann, Abteilung „Do Wah Diddy Diddy“, hinübergeschlagen… Gibt es Parallelen zwischen dem Anfang mit den Roosters und dem Comeback mit der Blues Band, Mr. McGuiness? „Grundsätzlich nicht , erklärt der Kurzgeschorene. „Nein, außer, da existiert eine ähnliche Spielfreude‘ , versichert Tom glaubwürdig. „Zwar nicht mehr so stürmisch wie damals, aber mit der Blues Band spielen wir die gleiche Musik, treten ungezwungen auf und nehmen die ganze Sache zwar ernst, aber nicht verbissen.“ Im übrigen bestätigt McGuiness die Flint’schen Ausführungen: just for fun – in der Rockpalastnacht ist davon wohl einiges zu bemerken gewesen, obwohl die Blues Band in kleineren Clubs wohl besser aufgehoben ist. Sichtlich Spaß bereitet die Blues Band auch ihrem Sänger Paul Jones, einst Student in Oxford, später Sänger bei Manfred Mann, dann Sologitarrist („High Time“, „I’ve Been A Bad Bad Boy“) und Filmstar in „Privüege“ neben Jane Shrimpton, einer in den sechziger Jahren kurzzeitig berühmten Aktrice. Jones stellte in „Privüege“ einen dem Untergang geweihten Popstar dar und spielte sich damit ungewollt selbst, denn nach zwei Solohits und einer Roüe als Alibi-Intellektuellem des Rock, (den man zu diversen Problemen, die keine waren, befragte) wurde die Sache plötzlich allseits langweilig und man ließ Jones ungnädig fallen. Künftig befaßte sich Jones ernstlich mit Schauspielerei und arbeitete, laut Hughie Flint, hart: “ ‚Privüege‘ machte ihn zum Star, ohne daß er Schauspielen konnte. Erst danach lernte Paul echt spielen, zwischen Musical und Shakespeare, und er hat eine Menge gelernt…“ Vorsichtig taste ich mich an das Alter der Blues Band-Musiker heran. Jones ist 38, Flint ebenfalls, McGuiness dito und ich reiche als Hilfestellung mein eigenes Alter, sowie die Ansicht, „Too old to rock’n’roll“ sei ein dummer Ausspruch, eilig nach. Hughie lächelt: „Ich weiß, worauf du hinauswillst. Okay, in meinem Paß steht eine Zahl, aber trommeln kann ich trotzdem noch. Viele Musiker der sechziger Jahre sind noch immer, oder neuerlich, aktiv, mal so und mal so.“ Ich nenne Muddy Waters‘ Alter: 64. „Na also, obwohl der sicher eine Ausnahme darstellt. Aber was den Unterschied ausmacht: Vor 15 Jahren lief die Sache vielleicht stürmischer, dafür kommt heute mehr Erfahrung hinein…“ Nun, wenn aLle älteren Rokker noch derart losgehen könnten wie etwa die Blues Band, dann ginge es nicht bloß den Rolling Stones besser. Sowohl live wie auch auf dem OFF1-CIAL BLUES BAND BOOT-LEG ALBUM, das ebenfalls Live-Sequenzen enthält, geht’s doch recht schnell und frisch zu. Daß hier eine uralte Chose abgeliefert wird, nämlich Blue-Eyed Blues, also weißer Blues, allenfalls von der Themse-Mündung statt aus dem Mississippi-Delta, das ist augemein klar. Doch wenn bloß ehemalige Baumwollpflücker den Blues singen und spielen dürften, gäbe es ja kaum derartige Platten. Aber die Yardbirds, Them, Spencer Davis Group waren auch weiß, Dr. Feelgood und seine Rhythm & Blues-Assistenten sind es. Hauptsache, die Musik enthält keinen Firlefanz. Und in dieser Hinsicht hat Hughie Flint versprochen, auch die kommende Blues Band-LP werde keine Synthesizer-Klänge enthalten. „Aber eine Orgel in zwei, drei Songs,“ bat er um Entschuldigung…