Bob Dylan & the Band auf der US- Tournee des Jahres


Es gibt Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass das Erscheinen des Kometen Kohoutek ein Vorzeichen für die Rückkehr des Phänomens Bob Dylan. Verstärkt wird diese Vermutung vor allem durch die Tatsache, dass nur ein paar Wochen, nachdem der Komet am Himmel gesichtet wurde, von offizieller Seite die Bestätigung kam, dass Dylan und The Band eine Sechs-Wochen-Tournee durch 21 US- Städte planten. Ob der Komet und die sensationelle Tour tatsächlich in einem Zusammenhang stehen, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Wie es auch sei, die Tournee begann in Chicago und ME war dabei:

WOODSTOCK- EINSIEDLER

Als er die Bühne betritt, der nun 32 jährige, unnahbare Dichter/ Sänger/Komponist, dessen Protest- und Liebeslieder eine ganze Generation beeinflussten, ist er noch genau der alte Dylan, sowie jeder ihn in bester Erinnerung hat: Seine magere, krumme Gestalt ist einfach gekleidet in Jeans, einem schwarzen Wollpullover und einem langen Schal. Die Zeit, die inzwischen verflossen ist, hat deutliche Spuren auf Bobs Gesicht gezeichnet, aber seine Stimme klingt kräftiger als je zuvor. Er ist noch genau wie damals, als er als Teenager von Minnesota ins New Yorker ‚Greenwich Village 1 kam, um mit Unterstützung der Folksängerin Joan Baez eine neue Epoche der Popmusik einzuleuten. Zu jener Zeit, 1960, konnte man im ‚Village‘ an allen Strassenecken Typen antreffen, die sich, auf ihren Gitarren Folk-Musik spielend, durch’s Leben schlugen. Dylan machte dankbar Gebrauch von dieser ‚Subkultur‘. Er war ohnehin stark beeinflusst durch den Country & Western Gitarristen/Sänger Woody Guthrie (= Vater von Arlo Guthrie). Doch um einer entwurzelten Generation mitteilen zu können, dass der ‚American Dream‘ längst in einen Alptraum umgeschlagen war, verband Bob Dylan Folk-Music mit dem gerade aufkommenden Rock-Beat. Wie ein Gott verkündete er seine Botschaften. ‚A Hard Rain’s Gonna Fall 1 , ‚The Times They Are A-Changin‘, die Platten wurden gekauft, als wären sie die Bibel. 1966, schockiert Dylan auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Welt mit der Mitteilung, dass er keine Lust mehr habe an dem ganzen Rummel, und ähnlich wie Greta Garbo wird er daraufhin zur lebenden Legende. Im selben Jahr wird er in einen ernsthaften Motorrad-Unfall verwickelt, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Als er gesundheitlich wieder topfit ist, zieht er sich wie ein Einsiedler zur seiner Frau und seinen Kindern zurück nach Woodstock bei New York, dem Ort, dessen Name Jahre später so weltberühmt werden sollte. Nur ganze vier Mal zeigt sich Bob Dylan in den folgenden Jahren der Öffentlichkeit. Der Aufsehenerregenste dieser Auftritte war zweifelsohne das Bangla-Desh-Concert. Nur noch selten erscheint ein neues Album von ihm und zur Überraschung aller tritt er schliesslich in dem Western ‚Pat Garret & Billy The Kid‘ auf. Dann wird es noch einmal still, nachdem er mit seiner Familie nach Malibu an die amerikanische Westküste umgezogen ist.

ÜBERSTUNDEN FÜR KARTENFÄLSCHER

Doch nun steht Bob Dylan wieder auf der Bühne und sorgte damit, für das grösste Ereignis in der gesamten amerikanischen Geschichte der Popmusik, wenn man David Geffen glauben darf, Geffen war als Chef des Asylum-Labels der Glückliche, der Dylan unter Vertrag nehmen durfte, nachdem dessen langjährige Bindungen mit der CBS-Plattengesellschaft aufgehoben waren. Von dem Moment an, als definitiv bekannt wurde, dass die US-Tournee stattfinden sollte, musste die Post so runde sechs Millionen Kartenanfragen weiterleiten. Es standen allerdings insgesamt nur 658000 Sitzplätze zur Verfügung, folgedessen mussten die Tournee-Veranstalter zirka drei Millionen Briefschreiber enttäuschen. Daraufhin konnte man in so ziemlich allen Tageszeitungen der Vereinigten Staaten Inserate lesen, in denen astronomische Beträge für nur eine einzige Eintrittskarte geboren wurden. Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass auch die Kartenfälscher Oberstunden einlegen mussten. Nachdem die Tickets, die man nur schriftlich bestellen konnte .verschickt waren, konnten die Tour-Organisatoren fünf Millionen Dollar Einnahmen verbuchen.

DYLAN: „ENDLICH WIEDER GUTE MUSIK“

Warum hat Bob Dylan diese Tournee gemacht? Sicher nicht des Geldes wegen, denn seit Jahren schon ist er vielfacher Dollar-Millionär. Selbst meint er dazu: „Ich wollte endlich mal wieder gute Musik hören. Falls es neue Gruppen gegeben hätte, die mir wirklich gut gefallen hätten, dann hätte diese Tour wohl nicht stattgefunden. Weil aber momentan so viele schlimme Sachen als Popmusik verkauft werden, bin ich selber wieder auf die Bühne gekommen, um das zu ändern.“ Einer von Dylan’s engsten Mitarbeitern nennt noch einen anderen Grund: „Bobby ist ein ausgesprochener Zionist, deshalb will es das Geld, das durch die Tournee hereinkommt, dazu verwenden, um Israel zu unterstützen. Auch in der Vergangenheit, hat er schon beträchtliche Summen an Israel verschenkt, und zwar unter dem Namen seines Vaters, Abraham Zimmerman.“

KONZERT-VERANSTALTER WILL DYLAN STOPPEN

Was wird seine Botschaft für die Siebziger Jahre sein? Rund 19000 Fans waren aus allen Himmelsrichtunaen per Fluqzeug, Bus. Auto öder Anhalter ins winterlich kalte Chicaao aekommen, um die Antwort darauf zu vernehmen. Die meisten von ihnen waren bereits älter als zwanziq, Leute also, die den ‚Prooheten‘ vom Beqinn seiner Karriere an miterlebt haben. Als Dvlan schliesslich auf die Bühne kommt, dem Publikum den Rücken zugewandt, um mit Robbie Robertson, Levon Helm, Garth Hudson, Rick Danko und Richard , Manuej die Instrumente zu stimmen, ist die Begrüssung durchs Publikum nicht so hysterisch wie man es auf der letzten Rolling Stones Europa-Tour erleben konnte. Die Szene spiegelt eher eine unbeschreibliche Freude wider, wie sie vorkommt, wenn ein lange abwesender Freund seine alten Bekannten wiedertrifft. Dylan’s Auftritt findet ohne jede Show statt. Seine Songs klingen sehr ausgeglichen und sie treffen das Publikum wie ein Laser-Strahl. Die alles bedeutenden Texte lösen Reaktionen aus, wie sie selbst mit der perfekten Show, ohne die die gegenwärtige Rockmusik nicht mehr auszukommen scheint.

nicht erreicht werden könnten. Dylan & The Band spielen 28 Songs, von denen nur drei der neuen LP „Planet Waves‘ entstammen. Die wenigen Worte, die Dylan während des Konzerts spricht, kündigen in der Mitte des Gigs eine fünfzehnminütige Pause an. Ein Schauer geht durch die anwesenden Zuhörer, als ‚The Times They Are A-Changin“ einsetzt. Sowas weckt Erinnerungen und wirkt trotzdem aktueller als jemals zuvor. Bob’s beissende Texte machen im zweiten Teil des Auftritts auch nicht Halt vor dem grössten Heiligtum der Nation, dem Präsidenten. Als er singt ‚Auch der Präsident der Vereinigten Staaten muss manchmal nackt sein‘, versucht Konzertveranstalter Bill Graham Dylan zu stoppen. Das Publikum tobt. Als die Songzeilen ‚When You Go Your Way And I Go Mine‘ durch die Halle klingen, ist dieser erste Gig der Mammut-Tournee zuende. Unter stürmischem Applaus verlässt Dylan die Bühne. Nach einer Pause von acht Jahren ist er, die wichtigste Persönlichkeit der amerikanischen Pop-Kultur, aus der Isolation zu den Millionen Wartenden seiner eigenen Generation zurückgekehrt…