Bob sein Solo


Guided By Voices stellen den Betrieb ein - nach 20 Jah- ren und über900

Mittwoch ist Sauftag. Es mag pietätlos klingen, einen Nachruf mit dem Alkoholkonsum des Protagonisten zu beginnen, aber im Fall von Robert Pollard geht das o.k.. Einmal in der Woche trifft Pollard sich mit alten Freunden, um so etwas wie Kommunikation im vorkomatösen Raum zu proben. „Wir kommen mit dem Trinken klar, nur wenn Whisky ins Spiel kommt, wird es schon mal härter.“Gesoffen wird weiterhin, gespielt aber nur noch ein paar Monate. Guided By Voices, Pollards Langzeit-Experiment in Sachen DlY-Rock’n’Roll, stellt am 31.12.2004 mit einem Konzert im Chicagoer Metro-Club nach 20 Jahren den Betrieb ein. Vor dem Bühnen-Finale erscheint jetzt das 15. und letzte Album: half smiles OF the decomposed.

„Es war einfach an der Zeit, etwas grundlegend zu verändern“, sagt Pollard. „Ich möchte die Musik für mich selbst wieder neu entdecken. Die Jungs in der Band spielen alle viel besser als ich, und ich bin schlicht zu alt, um weiter den Anführer der Gang zu spielen.“ Und dann, meint der 47-Jährige, habe ihn diesmal auch das Gefühl beschlichen, ein Album aufgenommen zu haben, mit dem er rundum zufrieden ist. „Einen besseren Moment für einen Schlussstrich finde ich nicht mehr.“

Die Fangemeinde wird das Ende verschmerzen können, weil der Solo- und Projekte-Katalog Pollards umfangreicher ist als das komplette Oeuvre einer großen Rockband. Und Pollard macht natürlich solo weiter, er erzählt von mindestens drei Alben in der Pipeline, von zig Demobändern, die er gerade abhört und dem Haus, das er sich kaufen will, um in Ruhe zu arbeiten.

Eine normale Rockband waren Guided By Voices nie. Die ersten Alben werden lokal in Kleinst-Auflagen veröffentlicht, die Band, bestehend aus Robert, Bruder Jim und drei Dutzend Musikern in wechselnden Konstellationen, tritt kaum je auf. Es gilt als gesichert, dass Pollard nur deshalb so viele Songs schrieb, um eine Entschuldigung dafür zu haben, dass er ständig seltsame Songtitel erfinden muss. Zudem hat ei Collagen für Hunderte von Album-Covern entworfen und sich noch mehr Bandnamen ausgedacht. Mit den Alben Propeller (1992) und vampire on titus (1993) gelangten Pollard und seine Freunde erstmals in Sichtweite der großen Rock-Welt, beethou-Sand markierte 1994 eine Art Durchbruch, ALIEN lane ein Jahr später ging in die Vollen: Eine Platte lang können Guided By Voices den Eindruck erwecken, als hätten die Beatles sich 1969 doch nicht immerfort zanken müssen.

Über 3000 Lieder, Demos, Fragmente hat Pollard bis heute gespeichert. 914 auf Alben veröffentlichte Songs mit seiner Beteiligung werden auf der Fanpage www.gbvdb.com gelistet. (Bob Dylan hat circa 450 in 40 Jahren erreicht – auch das haben Pollardologen erforscht). Guided By Voices sind der Traum jedes Platten-Junkies. Die Band als lebendes Sammlerstück mit Alternativversionen und Outtakes, Geheimmusiken und Verschwörungsflexidiscs. Grob unterteilt gibt es drei Arten von GBV-Stücken: 1) Die Rock-Hymnen mit Beatles-oder Who-Bezügen. 2) Die Space-Rock-Tracks mit eingebautem Düsentrieb. 3) Kleine Lo-Fi-Liederaus Küche, Kinder- oder Tagtraumzimmer.

Für die Indierock-Welthatder Ex-Mathelehrer aus Dayton/Ohio vor allem die Idee einer Anti-Ikone erarbeitet: ein trinkfester Rock-Malocher, der seine Version von Homerecording renitent vertritt. Wenn seine Songs nicht von dem handelten, was einem mit Mädchen so alles passieren kann, kriegte Pollard immer noch ein paar Zeilen über Raumfahrzeuge oder die Fliegerei hin. Er sang Lieder über seine Beziehung zu Jagdmessern und erzählte von Erfindungen, die Michael Jackson die Schamesröte ins Gesicht treiben mussten:“I invented the moonwalk. I discovered the saints. „Bei den meisten Songtexten „, sagt Pollard, „habe ich am Sound gearbeitet, sie mussten einfach gut klingen. Es gibt eher wenige Momente in den Songs, die eine greifbare Aussage haben.“

Gab es in diesen 20 Jahren einen Moment, in dem er sich den Rockstar Bob Pollard vorstellen konnte?

„Nein, nie. Dafür ist unsere Musik nicht gemacht. Als Kind wollte ich Popstar werden. Das hatte sich aber schnell erledigt.“ Seitdem ist einiges zusammengekommen. Heute hat Pollard noch Songs für Dutzende von Alben auf Lager, er schreibt unaufhörlich neue, möchte die von ihm initierte.auch schon wieder auf 30 Veröffentlichungen angewachsene Fading-Captain-Serie fortführen und wird kaum je ohne sein Notebook gesichtet. Er lernt jetzt noch mal fliegen.