Boom Box


Die HipHop-Kolumne von Davide Bortot

Drake, Dreampop, Drogen

Als Clams Casino produziert Michael Volpe die zurzeit beste Rapmusik der Welt.

Michael Volpe, 24, wohnt noch bei seinen Eltern in Nutley, New Jersey. Kürzlich hat er seine Ausbildung zum Physiotherapeuten abgeschlossen. Privat hört er gerne Musik von R. Kelly, trägt sportliche Strickpullis mit Reißverschluss, pflegt wie so viele andere junge Leute ein inniges Verhältnis zu seinem Laptop – und ist auch ansonsten die coolste Sau auf Erden. Unter dem Namen Clams Casino produziert er die zurzeit beste Rapmusik der Welt.

Wer nicht weiß, wovon hier die Rede ist, der besorgt sich am besten ein MP3 von „I’m God“ des exzentrischen Internetrappers Lil B. Den lernte Volpe auf seinen nächtlichen Akquisestreifzügen durch das mittlerweile mausetote Kontaktanbahnungsportal MySpace kennen: Im Gegensatz zu seinen Kollegen bewies Lil B Geschmack und verschob das ihm zugesandte Beatgut nicht umgehend zum anderen Spam in den Papierkorb, sondern schrieb interessiert zurück: „Was geht da bitte?“

Ja, was geht da? Verballerte Choräle. Sporadische Drumschläge. Obskure Samples, auf gut Glück runtergeladen von Filesharing-Seiten oder gerne auch unter Missachtung sämtlicher Grundregeln der Audiophilie direkt von Youtube gerippt. Dazu mollige Melodiebögen, ein paar Effekte und ganz allgemein ein ureigenes, faszinierendes Grundgefühl irgendwo zwischen Drake, Dreampop und den Drogen, die Volpe selbstverständlich nicht nimmt. Lil B jedenfalls likete, ganz arg und rappte was drauf ein.

Mittlerweile muss Clams Casino seine Musik nicht mehr wie Sauerbier feilbieten. Nach Lil B orderten weitere Größen der schönen neuen Rapwelt etwas Jersey-Schorre: A$AP Rocky, Soulja Boy, auch der neue deutsche Rapretter Casper soll einen echten Clams geshoppt haben. Und für 2012 stehen noch ganz andere Namen in der Kundenkartei.

Damit ist Clams Casino vorerst am Ziel seiner Träume. Denn auch wenn neben Lil B zuerst die Europäer und andere Klugscheißer ihn und sein letztjähriges Instrumental-Mixtape sowie seine EP für das Warp-Label entdeckten, so verortet Clams selbst sein Schaffen ganz woanders. Er ist mit 50 Cent und Dipset. Für solche Leute will er produzieren, dann gerne auch mit Singles und Videos und dafür ohne das Stigma des Hipsterhypes. Bis dahin bitte den „Motivation“-Beat als Dauerschleife. Und wenn das alles doch nicht hinhauen sollte, steht daheim in Nutley, New Jersey, ja zum Glück noch eine Massagebank.