Bouletten & Gitarren


Fanfutterstelle Hard Rock Café - seit 25 Jahren werden in der legendären Londoner Rock'n'Roll-Kneipe Hamburger gemampft und Kultobjekte bestaunt. ME/Sounds erzählt, wie alles anfing und stellt den Mann vor, der 22.000 Pop-Memorabilia sammelte.

London, irgendwann am Anfang des Jahres 1971. Isaac Tigrett war mal wieder angesäuert. Der junge Amerikaner, Ende der Sixties in die Britenmetropole gekommen, bekam partout nichts vernünftiges zu essen. Und schlimmer noch: Im ganzen Swinging London war kein eiskaltes Bier aufzutreiben – und die lauen ‚ale‘, ‚lager‘ oder ’stout‘ in den Pubs konnte er schon längst nicht mehr sehen. Während er so vor sich hin grantelte, hielt er das Cover der Doors-LP ‚Morrison Hotel‘ in Händen. Plötzlich entdeckte er auf der Rückseite des Albums den Schriftzug einer Cocktailbar in L.A., und es machte „WOW!“ in seinem Kopf…

Szenenwechsel. Old Park Lane Nummer 150, mitten im noblen Bezirk Mayfair, am 14. Juni

1971. Hippies, Langhaarige und Jeansjackenträger sind die ersten Gäste der

neuen Kneipe von Tigrett und seinem Kumpel Peter Morton. Das Ambiente des Hard Rock Cafe stimmte von Anfang an: karierte Tischdeckchen und Collegewimpel, dazu brüllend laute Rockmusik und Hamburger. Wie in Amiland. Und, um die Diner-Atmosphäre noch zu steigern, ausgesuchte Kellnerinnen, die nicht unter Dreißig sein durften.

Eine davon arbeitet noch heute im Londoner Hard Rock Cafe, war schon am allerersten Tag dabei und gilt auch unter Rockstars als Ikone des kultigen Gastgewerbes: Rita Gilligan. ‚Lovely Rita‘, wie sie trotz ihrer 55 Sommer gern genannt wird, ackert ats Mama von drei Kindern munter weiter. Die 1941 in Galway geborene Gaelin hätte sich damals nicht träumen lassen, daß sie ihr halbes Leben mit Stars und deren Anhängern verbringen würde. Ob ihrer Forschheit sofort engagiert, wurde sie zum Liebling der Entertainment Society. Ronnie Wood tanzte mit ihr, George Michael knutschte sie öffentlich ab, und Tony Curtis versucht immer noch, ihr eine Filmrolle aufzuschwatzen.

Rita kümmert sich indes lieber um ihre Kunden, und für die latscht sie pro Tag satte fünf Meilen durch die Londoner Kultkneipe.

Meilenweit geht auch Steve Routhier für das Hard Rock Cafe. Er ist der Wächter über den Schatz des größten Rock’n’Roll-Museums der Welt – denn als solches darf man die Hard Rock Cafe-Kette mit Fug und Recht bezeichnen.

Die Geschichte begann damit, daß Eric Clapton seinem Drinking Buddy Isaac Tigrett als Dankeschön für manche warme Mahlzeit einst eine Gitarre an die Wand hängte. Der Cafe-Boß war natürlich stolz und machte viel Wind um die Sache. Mit dem Erfolg, daß wenige Tage später Who-Mastermind Pete Townshend eine seiner Klampfen spendierte und neben Slowhands ‚axe‘ hängte. Nicht ohne die Bemerkung, daß „meine Gitarre ebensogut wie seine“ sei… Damit begann die Tradition der Memorabiliasammlerei in den Cafes. Eine Leidenschaft, die viel Geld und noch mehr Arbeit kostete, sich aber gelohnt hat: Das staunende Volk, das inmitten von Doors-Reliquien, Hendrix-Gitarren und Madonna-Bustiers diniert und offenen Mundes die Devotionalien der Rockgeschichte an den Wänden begafft, gibt dem Aufwand recht. Routhier, früher als Skilehrer und Zimmermann tätig, hat seit 1984 über 22.000 Gegenstände zusammengetragen, die über die 41 Hard Rock Cafes verteilt und in regelmäßigem Turnus getauscht werden. Dabei achtet der Memorabilia-Freak darauf, jeweils den Charakter der betreffenden HRC-Stadt auch in der Auswahl der Kultgegenstände widerzuspiegeln. So ist der Blickfang des Berliner Cafes der von dem Franzosen Thierry Noir bemalte Trabbi, den sich U2 zwecks Promotion ihres in den Berliner Hansa Studios aufgenommenen Werkes ‚Achtung Baby‘ anfertigen ließen – Geschichte mit Lokalkolorit und große, weite Rockwelt in einem Objekt vereint.

Steve Routhier ist ein echter Fan geblieben – und so erzählt er auch gern leuchtenden Auges von seinem großen Deal mit Chuck Berry. Der ließ sich nach langem Hin und Her breitschlagen, seine Gitarre in Routhiers Sammlung zu geben. Bedingung: Er wollte genau so eine Klampfe wiederhaben. „Also stellte ich ihm im Büro in Dallas drei kirschrote 335er Gibson zur Auswahl hin und war gespannt, ob der Deal über die Bühne gehen würde“, berichtet Routhier. „Und dann hatte Chuck so gute Laune, daß er in dem winzigen Zimmer einen Song nach dem anderen für uns spielte. Ich hockte auf dem Fender-Amp und erlebte leibhaftige Rock’n’Roll-Geschichte.“

Der Mann, der weltweit nach den Star-Reliquien jagt, achtet mit Argusaugen darauf, daß niemand ihn je fotografiert. Der einleuchtende Grund: Sollte sein Gesicht in der Öffentlichkeit bekannt werden, würden die Preise bei von ihm besuchten Auktionen umgehend explodieren …

Der Mann versteht sein Geschäft, und er weiß genau, was das Faszinierende am Hard Rock Cafe ausmacht – Gefühl ist das Zauberwort: „Wenn jemand auf die Stones steht, und er kommt herein und sieht auf einmal die alte Vox Teardrop von Brian Jones mit einem Bild des jungen Brian daneben, dann sieht er nicht mehr auf die Gitarre. Dann spielt in seinem Kopf plötzlich ein Film…“

Memorabilia als Sehnsuchts-Kickoff- auch ein Teil des Welterfolges der Tigrett-Idee. Rohe Geister mögen die Hard Rock Cafes für eine aufgemotzte Frittenbude halten. Fans des Lauten, Schönen und Guten indes schätzen die Kette mit dem einprägsamen Logo als kulinarische Inkarnation des Rock. Long live Rock’n’Roll. Und Prost. Und Guten Appetit. Oder so.