CD-Platten


Wer als Popfan einmal über den Zaun schaut und sich zu Gehör führt, welche Anstrengungen die Tontechniker der Plattenkonzerne unternehmen, um auch betagtere Klassik- und Jazzaufnahmen so weit wie möglich auf den klanglich letzten Stand hin zu „restaurieren“, der müßte eigentlich grün vor Neid werden. Während man bei der Decca beispielsweise mit enormem Aufwand den Wagnerschen „Ring“-Zyklus in der Einspielung von Georg Solti minuziös bearbeitete, um aus diesen für Compact-Disc überspielten „Oldies“ der frühen Stereo-Ära noch das letzte machbare Quentchen Klangqualität herauszukitzeln, werden manche Rock-Klassiker ziemlich lieblos von Bändern transferiert, ohne vorher die Mängel so weit wie möglich auszumerzen. Typisches Beispiel ist die unlängst erschienene Doppel-CD von Derek And The Dominos LAYLA AND OTHER ASSORTED LOVE SONGS (RSO 823 277-2), die man 1:1 von den 15 Jahren alten Tapes übernahm. Hier hätte geschickte Entzerrung wirklich nicht geschadet.

Die Crux ist natürlich die, daß Nachbearbeitungen oder gar neue Abmischungen von den 8- bis 32-Spur-Multitracks richtig Geld kosten würden. Dem kann man aber entgegenhalten, daß besagte Doppel-CD etwa das Dreifache der schwarzen Scheiben mit diesen Clapton/Allman/Whitlock & Co.-Sternstunden kosten! Sollten irgendeines fernen Tages endlich doch noch die Beatles-Aufnahmen auf CD erscheinen, ist nur zu hoffen, daß man sich beim Transfer mindestens dieselbe Mühe gibt wie die kalifornischen Half Speed-Überspieler der luxuriösen „Beatles Collection“ von Mobile Fidelity Sound Lab.

Ganz muß man die Hoffnung ja nicht aufgeben, auf CD öfter klangliche Entdeckungen zu machen, wie sie die LPs nicht bieten. Jimi Hendrix-Fans dürfen staunen: Auf der Kompilation KISS THE SKY (Polydor 823 704-2) sind drei Titel des Experience-Debüts ARE YOU EX-PERIENCED? endlich in fabelhaft gemischtem Stereo und nicht mehr scheußlichem Pseudo-Stereo zu hören, nämlich neben der Titelnummer noch „Purple Haze“ und „Third Stone From The Sun“. Für diese sehr gute Auswahl aus dem Hendrix-Katalog wurden die Mehrspur-Bänder nachbearbeitet und weitgehend neue Abmischungen vorgenommen. Bei Erscheinen dieses ME-Hefts soll laut Planung der Poly-Gram endlich auch ELECTRIC LA-DYLAND auf CD vorliegen, und das erste Album der Jimi Hendrix Experience will man knapp 20 Jahre später erstmals in Original-Stereo veröffentlichen. Recht so.

Auch Joe Cockers Debüt WITH A LITTLE HELP FROM MY FRIENDS (Intercord INT. 846.316) ist jetzt auf CD erhältlich, und zwar in der klanglich überarbeiteten Fassung, welche die Stuttgarter Firma vorher als Half-Speed-Überspielung auf schwarzer Scheibe angeboten hatte.. Für Techno-Freaks vielleicht interessant: Der Baßbereich kommt hier gegenüber der LP in Nuancen besser, während die Höhen ganz geringfügig abgesenkt erscheinen. Der Ehrlichkeit halber muß man sagen, daß solche Unterschiede im Toleranzbereich der CD-Spieler selbst liegen. Besser als die 1969 erschienene Polydor-Pressung klingt die CD sowieso. Und wenn man inhaltlich zwischen dieser und der ebenfalls auf Digitalplatte vorliegenden Cocker-Produktion des letzten Jahres wählen müßte, fällt diese Wahl nicht schwer.

Dasselbe gilt für das spektakuläre Debüt von Sade und dem unlängst in der „Silver Collection“-Serie erschienene ASTRUD GIL-BERTO ALBUM (Verve 823 451 -2). Der coole Sexappeal in Miss Gilbertos Stimme besitzt eine andere Qualität, und über Geschmack sollte man womöglich besser wirklich nicht streiten. Der Unterschied ist ähnlich dem zwischen einem schweren 1969er Brugunder und einem noch etwas flachen roten Bordeaux von 1979. Eben diese Weine empfehlen sich, wenn man zu vorgerückter Stunde die CDs von Astrud Gilberto oder Sade hört!

Um bei passenden Getränken zu bleiben: Mehr für Cola-Trinker geeignet ist das Depeche Mode-Opus SOME GREAT REWARD (Mute INT 846.812). Diese reichlich „höhengeil“ aufgenommene Synthipop-Produktion klingt nicht so verzerrt wie auf Analogscheibe, aber die verklirrten Sibilanten (etwa bei der Ballade „Somebody“) beweisen auf CD dann doch, daß digital erzeugte Computerklänge mit solchen einwandfrei diagnostizierbaren Mängeln eine Attacke auf Lautsprecher und Gehör sein können. Der „harte“ Synthi-Sound von „Master And Servant“, von dem Martin Gore öffentlich so schwärmte, ist nichts als Klirr in zig-Prozenten. Zuviel mit billigeren 8-bit-Maschinen gearbeitet, Mr. Gore?

Alles andere als klangliche Offenbarungen sind David Bowies jüngste CD-Wiederveröffentlichungen LOW (RCA PD 83856) und SCARY MONSTERS (RCA PD 83647); wobei erstere dem „… hitting an alltime low“-Motto aus „Ashes To Ashes“ entspricht. Nachdem nun fast Bowies komplettes RCA-Repertoire auf Digitalplatten vorliegt, wundert man sich, wieso die Sachen der frühen und mittleren siebziger Jahre soviel besser aufgenommen wurden als vieles der späteren.

Für Klang-Gourmets ein Genuß ohne Reue ist Rickie Lee Jones Pl RATES (Warner Bros. 256 816), eine aus dem halben Dutzend der bestaufgenomenen Pop-CDs aller Zeiten. Hier kommt die System-Dynamik des neuen Tonträgers richtig zur Geltung. Wenn es Aufnahmen gibt, die süchtig nach CD machen können, dann solche wie PIRATES!