CD- Platten


Die Segnungen der (analogen) Multikanal-Aufzeichnung entpuppen sich auf CD immer häufiger als problematisch, Kein Wunder, daß von Abba bis Zappa sich viele Popstars mit dickeren Bankkonten in den letzten zwei bis drei Jahren ihre Studios mit Digital-Apparaturen ausrüsteten. Denn hört man eine Produktion wie LIONHEART von Kate Bush (EMI CDP 7 46065-2) auf CD, dann rauscht diese Aufnahme kaum weniger als jene, die Bert Kämpfert 1961 mit den Beatles in Ping-Pong-Stereo machte. Und wenn bei einer Aufnahme wie STANDARDS VOL. 1 vom Trio Keith Jarrett/Gary Peacock/Jack DeJohnette (ECM 811 966-2) alle Mischpult-Kanäle aufgemacht wurden, um die Musiker bei der Improvisation nur ja nicht zu stören, werden die Grenzen der Analogtechnik hörbar.

Daß THE BEATLES – FIRST (Polydor 823 701-2) auf CD ein solcher Renner wurde, zeugt wohl vom Frust der immer noch zahlreichen Fans der Fab Four: Die „lustige Witwe“ verhinderte bislang – mit Ausnahme der widerrechtlich in Japan gefertigten ABBEY ROAD-CD, die inzwischen auch gestrichen ist erfolgreich, daß man mehr Beatles-Klassiker auf dem Silber-Diskus kaufen kann.

Ganz koscher verfuhr man bei der Titelgebung der genannten Beatles-CD auch nicht. Aus dem 1968 publizierten Doppelalbum IN THE BEGINNING mit Tony Sheridan als Vokal-Attraktion wählte man 13 Titel aus (und zusätzlich die bislang vergriffene Interpretation von „Ready Teddy“). Nur bei acht dieser 13 Titel wiederum sind auch die Beatles musizierend bzw. singend zu hören. Ehrlicherweise gibt der Chronist auf dem CD-Inlet darüber auch Auskunft.

Bei der Doppel-CD STARPORTRAIT von Eric Burdon (Polydor 825 231-2) meinte man sich gar ausdrücklich dafür entschuldigen zu müssen, daß diese Oldies von 1967/68 Verzerrungen und Bandrauschen aufweisen. Na ja. Die gibt’s zu Genüge auch noch bei Aufnahmen der achtziger Jahre. Und genau genommen stört mich jedenfalls Bandrauschen bei besagter Keith Jarrett-CD mehr als die oft grausam eingestellte und das Ohr durch Zisch-Bumm-Effekte malträtierende Klangbalance so mancher Genres von überzogen „höhengeiler“ Disco-Musik und schepperndem Heavy Metal bis zu dünnem Synthi-Sound.

Ein Fest für Sound-Freaks ist beispielsweise Billy Joels PIANO MAN (CDCBS 80 719) nun wirklich nicht. Für den damals (1975) aufstrebenden Superstar in spe arbeiteten zwar einige exzellente Begleitmusiker; aber daß Ron Malo bei diesen Aufnahmen ein „Ingenieur par excellence“ (so die Behauptung auf dem CD-Cover) gewesen sei, darf man heftig bezweifeln.

Dagegen ist – wie sich auf der Compact-Disc jetzt erst recht erweist – ELECTRIC LADYLAND von der Jimi Hendrix Experlence (Polydor 823 359-2) immer noch in jeder Hinsicht ein Geniestreich und mindestens so verblüffend wie die frühen Studio-Trips von Pink Floyd. Blues und Elektronik-Effekte gingen später nie wieder eine so harmonische Ehe ein – schon gar nicht bei entsetzlichen Platten wie ELECTRIC MUD, mit denen man den alten Muddy Waters zum aktuellen Popstar unmodeln wollte.

Die Doppel-CD von ELECTRIC LADYLAND ist technisch wesentlich besser als das seinerzeit angebotene Album. Bässe und Hochtonbereich klingen halt sehr viel präziser als auf schwarzer Scheibe, und die Live-im-Studio-Session „Voodoo Chile“ hörte man vorher nie so gut. Einzige läßliche Sünde der zuständigen Plattenfirma: Die Begleitmusiker, darunter fast die komplette „Traffic“-Mannschaft um Steve Winwood, werden nirgends genannt. Trotzdem ist das eine jener CDs, die man – weil technisch hörbar besser als die Platten – nicht auslassen sollte, wenn man feststellen will, wie gut Hendrix 1968 aufgenommen worden war.

Schon etwas schlimmer als eine läßliche Sünde: Im Gegensatz zur vorher aus Japan importierten CD fehlt auf der jetzt offiziell bei uns publizierten Digitalplatte von McCartneys BAND ON THE RUN (Parlophone CDP 7 46055-2) der Hit „Helen Wheels“. Nur weil der zunächst auch auf der 1973er LP fehlte? Die Klangbalance ist gegenüber der für die USA gefertigten Japan-CD (Columbia CK 36482/lmport) merklich verändert: weicherer bis mulmigerer Baß und abgesenkt erscheinende Höhen! Genau umgekehrt hört man’s bei McCartneys TUG OF WAR (Parlophone 7 46057-2), die im Vergleich zu manch anderem letzthin veröffentlichten Ramsch auf CD gar nicht so übel klingt.

Allenfalls betuchten Rockfans zu empfehlen: das 4-CD-Set WOODSTOCK (Mobile Fidelity Sound Lab MFCD 4-816, Vertrieb durch Erus Technik in Eschborn), auf dem Tripel- und späteres Doppelalbum zusammengefaßt wurden. Die auf 8-Spur-Maschine mitgeschnittenen Liveaufnahmen jenes Festivals besitzen in mancherlei Hinsicht „historische“ Qualitäten. Zum Ladenpreis von nur 350 Mark ein Souvenir für Flower Power-Kinder, die inzwischen Karriere gemacht haben.

Preiswerter zu haben sind die jüngsten CDs von Van Morrison (A SENSE OF WONDER, Mercury 822 895-2), John Fogertys CENTERFIELD (Bellaphon 290-07-085) und DAMN THE TORPEDOES von Tom Petty und seinen Herzensbrechern (MCA 250 415-2), drei ohne Einschränkungen empfehlenswerte Digitalplättchen. Bester Tip für Jazzfans schließlich noch: THE THIRD DECADE des Art Ensemble of Chicago (ECM 823 213-2), eine technisch hervorragende Produktion.