Cheap Trick


Zu ihrem Abstecher nach Nürnberg, zum Festival auf dem Zeppelinfeld, hatten sich die vier von Cheap Trick offenbar nur ungern überreden lassen. Nach acht Monaten on the road waren sie kaputt. Trotzdem beugten sie sich dem Marketingbefehl ihres Schallplattenkonzerns, der den Erfolg der Single „I Want You To Want Me“ unbedingt durch einen persönlichen Besuch der Band in der Bundesrepublik untermauert wissen wollte.

Sehr lustig war er nicht gerade, Cheap Trick’s Oberclown Rick Nielsen. Nach acht Monaten Tourneestreß war er schlichtweg ausgepumpt. Das Festival in Nürnberg war für ihn und die Gruppe deshalb auch nur eine Pflichtübung; Promotion für die erfolgreiche Single „I Want You To Want Me“. Müdigkeit hin, Lustlosigkeit her. Das Interview mit Rick fand fünf vor zwölf statt, also kurz, bevor Cheap Trick auf die Bretter mußten. Audienz war backstage im Wohnwagen. Alle anderen Journalisten bestellte er für später ins Hotel, so für 19 Uhr, just zur Stunde des Who-Auftritts. Welch eine besondere Art von Humor!

Nachdem Cheap Trick nach ihrem Deutschland-Debut im März ’77 im Vorprogramm von Kansas nicht mehr als eine gute bis enthusiastische Presse verbuchen konnten, absolvierten sie anfang ’79 ihre erste eigene Tour durch große Clubs und kleine Hallen in der Bundesrepublik. Wieder war es die witzige Ader speziell ihres Frontmannes Rick Nielsen, die ankam. Trotzdem stöhnten selbst professionelle Konzertbesucher (also die mit Gehörschaden) über die tödliche Lautstärke. „Die Hallen waren zu klein“, entgegnet Rick darauf einsilbig. Vielleicht war euer Equipment zu groß, Jungs? Rick: „?!?!?!?!“

In Nürnberg nun zogen sie sich angesichts ihres angeschlagenen Zustands nach einer Tour de Force um den Globus ganz anständig aus der Affaire. Auch hier lockten sie das Publikum wieder mit bewährtem Klamauk aus der Reserve. Der musikalische Vortrag nämlich war eher durchschnittlich, denn live bekommen die Musiker ihre Kompositionen seltsamerweise nicht ‚rüber. Da steht hauptsächlich der Beat, die Feinheiten des Arrangements fallen unter den Tisch. Auf dem neuen „Cheap Trick-Album, „Dream Police“, (siehe auch Longplayers) prägen nicht selten Keyboards die Kompositionen. Der Titelsong lebt von Synthies und einer schweren Orgel – ein Effekt, der auf der Bühne völlig fehlt. Hier arbeitet die Gruppe lieber mit einprägsamen Gitarrenriffs. Sind Cheap Trick also eher eine Songwriter-Combo, deren Stärke in Studioalben mit blendenden Songs zwischen Rock und Pop liegt? Rick Nielsen fühlt sich geschmeichelt, aber: Bühne und Studio sind bei Cheap Trick offensichtlich zwei völlig verschiedene Stiefel.

Trotzdem warnt Rick Nielsen: „Wir sind keine Popband.“ Bei aller Feinarbeit im Studio bleibt die Basis Hard Rock. Mit einer ausgeklügelten Zitat-Technik gelingt es Cheap Trick allerdings, sich hier vom Gros abzuheben. Jemand schrieb dazu einmal sinngemäß, daß die Band zu den intelligentesten Klauern gehöre, die ihm bislang untergekommen seien… Rick Nielsen besteht zwar darauf, daß „wir nicht wie eine unter Tausenden neuen Bands klingen.“ Es fällt ihm aber schwer, Parallelen zu den frühen Tagen des Beat zu leugnen. „Dream Police“, der Titelsong ihrer neuen LP, bekam eine nasale Leadstimme verpaßt, die an die stärksten Stunden der Kinks erinnert. Nielsen hört es nicht allzu gern, wenn du ihn darauf ansprichst, daß die Wurzeln von Cheap Trick wohl in Europa zu finden sind. „Eigentlich haben mich die Stones immer mehr fasziniert“, sucht er die leidigen Vergleiche mit den Beatles zu umschiffen, gibt aber zu: „Na gut, ich habe die Beatles schon geliebt, aber eben nur die heavy Songs. ‚Ob-la-di, ob la-da‘ verursachte bei mir jedenfalls nur Würgreize.“

Der Schleier, den die Jungs von Cheap Trick so gerne um ihre Vergangenheit hüllen, hat sich an einigen Stellen mittlerweile schon gelüftet. So erklärt sich Ricks Vorliebe für die englische Beat-Ara wohl in der Tatsache, daß er einst bei den Yardbirds als Studiopianist arbeitete. Als ihn ein Angestellter seiner deutschen Schallplattenfirma mit diesem – längst in einer amerikanischen Zeitschrift publizierten – flashback überraschte, habe der gute Rick ihn angeschaut, als habe der Mann Zugang zu irgendwelchen CIA-Akten, heißt es da. Schließlich hat der Sologitarrist von Cheap Trick mittlerweile andere Saiten in der Mache: drei Gitarren baumeln um seinen Bauch, während er mit Spagat und Liegestütz eine erstaunliche sportliche Form an den Tag legt. Übrigens ist Rick eine wandelnde Plektrum-Schleuder; Klaviertasten ließen sich mit Sicherheit nicht so leicht ins Publikum werfen. Und die anderen? Die beiden Schönen der Band, der schwedische Bassist Tom Petersson und der aus Alaska (!) stammende Sänger/ Gitarrist Robin Zander haben, wie es scheint, tatsächlich keine größere Leiche im Keller. Anders jedoch der rundliche Drummer Bun. E. Carlos, der im Gespräch mal eine Indiskretion über den alten Bo Diddley losließ: Bo, so erzählte er, würde furchtbar unter Blähungen leiden. Die anderen Musiker hätten auf der Bühne immerhin die Möglichkeit dem auszuweichen, nur der Schlagzeuger würde halt genau im Schußfeld sitzen… Und wer diese Dinge so plastisch zu berichten weiß, der muß schon irgendwann einmal dabeigewesen sein, oder?