Cheap Trick


„Oh Mann, da hat mir der Tom doch ein gewaltiges Ei gelegt“, beginnt Ober-Gitarrero Rick Nielsen die unkonventionellste Fragestunde, die ich je mit einer Band gemacht habe. „Das war so vor etwa vier Jahren, da hockte ich zu Hause in Chicago und langweilte mich zu Tode. Und dann kam dieser Telefonanruf. ‚Komm schnell rüber nach Deutschland, hier ist musikalisch der Teufel los‘, meinte Tom ganz aufgeregt. Ich packte alle meine Instrumente ein und flog nach Frankfurt. Angekommen in Frankfurt mußte ich feststellen, daß hier noch mehr der Hund begraben lag, als seinerzeit in Chicago. Aber steh Du mal mit einem guten Dutzend Gitarren und ein paar Verstärkern in Frankfurt ohne Rückflugkarte…“ Und während er unter seiner Baseballmütze mit den Augen rollt und Tom zuzwinkert, krallt er sich das Telefon und bestellt die ich-weiß-nicht-wievielte Runde Bier beim Zimmerservice des Circle-Hotel in San Diego.

„Dann trieben wir unser Unwesen in Frankfurt, bis wir die Nase voll hatten und uns auf die Socken gen Süden machten. Am Anfang dachte ich die Deutschen hielten mich für einen Alkoholiker, weil die immer ‚Good Scotch‘ sagten. Später stellte sich heraus, daß das ‚Grüß Gott‘ heißen sollte.“ In Südfrankreich traf Rick Ken Adamani, den heutigen Manager von Cheap Trick, der die mitterlweile komplette Gruppe in die Staaten zurückholte, einen Plattenvertrag besorgte und den Verein auf die drei jährige Tournee schickte. Und in deren Verlauf wurde der heutige packende Cheap Trick-Sound gehärtet wie Edelstahl.

Cheap Trick bringt einen in Verlegenheit. Was soll man eine Gruppe ohne Vergangenheit und mit einer eindeutigen musikalischen Richtung überhaupt noch fragen? Vielleicht, wollt Ihr unseren Lesern noch was Schönes mitteilen, so wie es ein holländischer Kollege fertigbrachte? Da wurde selbst der immer schlagfertige Ricky Nielsen verlegen. Also dreht Bassist Tom Petersson, in Schweden geboren und im amerikanischen Hinterland aufgewachsen (sieht man ihm eigentlich gar nicht so an), das Gespräch um. „Sind die deutschen Mädels immer noch so gut beieinander? Ist die Frankfurter Hauptwache immer noch so kaputt? Oh Mann…“

Bun E. Carlos, schlaggewaltiger Drummer (Bun steht für Bunezuela, da Bunny aus Venezuela kommt) sitzt stillschweigend in der Ecke und raucht innerhalb einer halben Stunde seine 15. Zigarette. Dabei nickt er immer zustimmend zu dem, was die anderen sagen. Robin Zander, Leadsänger und Gitarrist, bei dem jedes Mädchenherz ein paar Takte schneller schlägt, bekommt feuchte Augen, als das Gespräch auf deutsche Mädchen kommt. Schon in den USA sind sie alle hinter ihm her. Am Abend stehen standesgemäß einige Limousinen am Hotel, um die ganze Meute zur San Diego Sports Arena zu bringen. 20000 Rock’n’Roll-Ausgehungerte zieren die Ränge in üblicher Marihuana – Stimmung. Cheap Trick scheinen ihr Publikum zu haben, denn nicht selten sieht man Fans mit Baseballmütze, Strickjacke,gelbem Hemd, Fliege und ausgeleierten Turnschuhen – ganz so, wie sich Rick-Nielsen 24 Stunden am Tag gibt. Noch nie hat ihn ein Mensch unter der Sonne anders gesehen.

Der Hallenmeister schaltet das große Licht aus, die Crew der Band ihre effektvollen Spots zur Bühne an. Unter dem Jubelgeschrei von 40000 Stimmbändern steigen Cheap Trick voll in ihr Rock’n’Roll-Spektakel ein, das kein Auge trocken läßt. Mit ,,Hello There“. dem ersten Stück ihrer zweiten LP ‚In Colour‘ haben die Vier das Publikum bereits im Griff. Rick Nielsen erweist sich auch auf der Bühne als der Kopf von Cheap Trick. Auf einem erhöhten Podest zieht er eine Zirkusnummer ab, die sich sehen lassen kann. Mit drei Gitarren (von den 65 Exemplaren, die er besitzt), rennt er quer über die Kulissenaufbauten und traktiert sie alle drei gleichzeitig. In dem Moment, wo er ein virtuoses Solo anstimmt, geht er ganz unerwartet in sich, mimt den Introvertierten, um danach wieder zu explodieren. Die anderen drei gerieten dabei ins Hintertreffen, würden sie nicht alle zusammen eine so tierische Losgehnummer machen. Bunny ist der coole, der nie ohne Zigarette kann. Tom und Rick ergänzen sich, indem sie hin und wieder im Duett über die Bühne fegen, während Robin ganz trocken seinen Job erledigt und dabei die weibliche Zuhörerschaft zum Träumen bringt (oder gar mehr?). Die alten Rock-Freaks würden dabei sagen ‚wie trüher‘, die Jungen können die Rollers-Abteilung vergessen. Eine intensivere und musikalisch bessere Rock-Show kann man sich kaum vorstellen. In Deutschland war das leider anders: da wurde der Cheap Trick-Sound zugunsten von Kansas ein wenig kaputtgemischt. Cheap tricks….